Taliban offenbar aus Kundus vertrieben
1. Oktober 2015Gegenüber der Deutschen Welle (DW) erklärte der Polizeisprecher der Provinz Kundus, Sayed Sarwar Hossaini, dass die Sicherheitskräfte das Zentrum von Kundus eingenommen hätten. Zahlreiche Talibankämpfer hätten sich aber in normalen Wohnhäusern verschanzt. Genaue Zahlen zu den Opfern auf beiden Seiten wollte Hossaini nicht nennen.
Fasel Ahmad, der in der Stadt lebt, berichtete der DW von anhaltenden Kämpfen. Die Situation sei sehr instabil. Verwundete könnten nicht ins Krankenhaus gebracht werden, weil es immer noch in der Hand der Taliban sei.
Taliban dementieren
Ein Taliban-Sprecher erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass der Kampf der Aufständischen im Stadtzentrum weitergehe. Seinen Angaben zufolge kontrollieren die Islamisten immer noch zahlreiche Bezirke von Kundus.
Zwei Jahre nach dem Abzug der Bundeswehr aus Kundus hatten die radikalislamischen Taliban mit etwa 2000 Kämpfern die Stadt am Montag überrannt. Dabei stießen sie kaum auf Gegenwehr. Kundus ist die erste Provinzhauptstadt, die seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 von den Aufständischen erobert wurde.
Unterstützung der NATO
Am folgenden Tag startete die Armee eine Gegenoffensive. Am Mittwoch bekam sie Unterstützung von der NATO. Spezialkräfte trafen nach Angaben des westlichen Militärbündnisses in Kundus ein, um die Regierungstruppen zu beraten. Eigene Verstärkung für die afghanische Armee traf dagegen nur langsam in Kundus ein. Die UN-Mission in Afghanistan (Unama) teilte mit, nach ersten Informationen seien bei den Kämpfen um die Stadt mehr als 100 Zivilisten getötet oder verletzt worden. Bis zu 6000 Zivilisten seien geflohen.
Zweifel an Durchsetzungskraft
Der schnelle militärische Erfolg der Taliban in Kundus sowie in den benachbarten Provinzen machte das Erstarken der islamistischen Aufständischen in der Region deutlich. Es verstärkte die Bedenken, ob Armee und Polizei des Landes selbst für Sicherheit sorgen können.
Auch das Vorhaben der USA, nächstes Jahr fast alle ihre verbliebenen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, wurde erneut in Zweifel gezogen.
Der Bundeswehrverband warnte vor einem Machtvakuum am Hindukusch. In einem Radiointerview erklärte der Verbandsvorsitzende André Wüstner, die Situation in der Stadt Kundus wirke sich auf ganz Afghanistan aus. Wüstner forderte deshalb die Bundesregierung auf, die Bundeswehr länger in dem Bürgerkriegsland zu stationieren und mehr Soldaten dorthin zu schicken. Zurzeit sind noch gut 800 Bundeswehrsoldaten zur Beratung und Ausbildung einheimischer Streitkräfte in Afghanistan, 700 davon in Masar-i-Scharif 150 Kilometer westlich von Kundus
kle/rb (afp, dpa, rtr)