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Taktische Atempause

Peter Philipp27. Juni 2003

Auf palästinensischer Seite heißt es, ein Waffenstillstandsabkommen mit Israel sei zustande gekommen. Auf seine Verkündung wird man allerdings noch warten müssen. Nicht nur deshalb ist dies ein absonderliches Abkommen.

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Bei dem Waffenstillstandsabkommen handelt es sich nicht um eine Vereinbarung zwischen Palästinensern und Israelis, sondern zwischen den militanten Palästinensergruppen, die bisher die treibende Kraft hinter Angriffen und Anschlägen auf Israel und Israelis waren. Und die palästinensische Autonomieverwaltung ist nur noch "am Rande" Teil des Abkommens, um das sich der palästinensische Regierungschef Mahmoud Abbas seit Wochen erfolglos bemüht hatte.

Fortschritte in den Verhandlungen gab es erst, als sich Männer einschalteten, von denen man eigentlich alles andere erwartet hatte: Der im israelischen Gefängnis einsitzende Führer der "Tanzim"- Bewegung, Marwan Barghouti, signalisierte über Mittelsleute den in Damaskus basierten Vertretern von "Hamas" und "Islamischem Jihad", Khaled Mashal (den israelische Agenten vor einigen Jahren in Amman zu ermorden versuchten) und Ramadan Shalah, dass es an der Zeit sei, einer dreimonatigen Waffenruhe zuzustimmen.

Kurze Halbwertszeit

Und es war der sonst weitgehend isolierte PLO-Chef Jassir Arafat, der das Zustandekommen einer Einigung bekannt gab, ohne sie jedoch offiziell zu verkünden. Die Entstehungsgeschichte dieses Abkommens dürfte auch eine Garantie dafür sein, dass es kaum von langer Dauer sein wird.

Der Grund für die angebliche oder wirkliche Einigung gerade jetzt dürfte eher darin liegen, dass die Sicherheitsberaterin von US-Präsident George W. Bush, Condoleeza Rice, am Wochenende (28./29.6.2003) in den Nahen Osten kommt und dass die palästinensische Seite ihr dann die Vereinbarung von Damaskus präsentieren will. Um dann aber vermutlich sofort mit deren Aufkündigung zu drohen, weil Israel sein militärisches Vorgehen gegen die militanten Palästinensergruppen und deren Führer unbeirrt fortsetzt und es dabei weiterhin täglich zu Toten und Verletzten kommt.

Scharon akzeptiert nur Abbas als Gesprächspartner

In Israel will man an dieser Strategie festhalten und man hält nichts von einem Waffenstillstand mit "Hamas" und dem "Islamischen Jihad". Vertreter der Regierung Scharon bestehen darauf, dass man nur mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Abbas spreche und dass dieser sich nicht nur zum Waffenstillstand verpflichtet habe, sondern auch zur aktiven Bekämpfung der radikalen Gruppen. Solange er dies nicht tue oder nicht tun könne, werde Israel seinen Kampf fortsetzen.

Solch eine Argumentation - die in Washington einiges Verständnis findet, obwohl man weiß, dass sie die Bemühungen um eine Befriedung stört - wird von den radikalen Gruppen sicherlich auch wieder als Vorwand benutzt, die eigene Waffenstillstandsvereinbarung zu missachten. Ein willkommener Vorwand, denn die islamistischen Fanatiker von "Hamas" und "Islamischem Jihad" sind grundsätzlich gegen die Existenz des Staates Israel und ein Waffenstillstand ist für sie nicht eine grundsätzliche politische Kursänderung, sondern nur eine taktische Atempause auf dem Weg zum angestrebten Endziel: Der Zerstörung Israels.