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Taiwan - ein Markt mit Zukunft

Christian Uhlig, zur Zeit Taipeh10. Mai 2013

Zuletzt hatte die Wirtschaft von Taiwan geschwächelt. Für dieses Jahr erwartet der südostasiatische Inselstaat dagegen ein Wachstum von 3,5 Prozent. Auch deutsche Unternehmen können davon profitieren.

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BU: Hohe Gebäude bringen Wind in die Stadt und können so die Temperatur senken --------- Standing at 509 meters (1,671 feet) with 101 floors, the world's tallest building the Taipei 101 presents a new model for the Asian skyscraper seen here Monday, April 19, 2004, in Taipei, Taiwan. Designed as a segmented shaft of eight outward sloping segments, the tower resembles a giant glass pagoda. The green tinted glass cladding is meant to mimic the color of jade. Taipei 101 was finished early 2004 and designed by architects C.Y. Lee ++ AP ++
Taipei 101Bild: AP

30 Grad Celsius, 70 Prozent Luftfeuchtigkeit - für Taiwan sind das Frühlingstemperaturen. Trotzdem ist Siemens-Manager Kernel Wang froh, als er die gut gekühlte Lobby des Farglory-Hochhauses im Herzen von Taipeh betritt. Er hat sogar ein professionelles Interesse daran, dass die Aircondition hier reibungslos läuft. Denn Siemens hat für die Firmenzentrale der größten taiwanesischen Immobiliengruppe die Gebäudeautomation übernommen. Sensoren im ganzen Haus sorgen dafür, dass die Temperatur angenehm ist und gleichzeitig Energie gespart wird.

Grüne Energie statt Kohle

Service und Qualität ist alles

Doch die Anlage ist ganz neu und so gibt es noch Kinderkrankheiten. Der Monitor im Kontrollraum zeigt: die Temperatur im 30. Stockwerk ist mit 21 Grad zu niedrig, die Luftfeuchtigkeit mit 60 Prozent zu hoch. "Ideal sind 23 bis 25 Grad Raumtemperatur und 55 Prozent Luftfeuchtigkeit", erklärt Wang. "Ich schicke eines unserer Ingenieurteams vorbei, damit die an der Software noch ein bisschen Feintuning vornehmen."

Diese Serviceorientiertheit ist neben der Qualität ein Hauptgrund, warum deutsche Unternehmen in Taiwan so gut ankommen. Und das, obwohl sie meist teurer als die asiatischen Wettbewerber sind. "Wir bieten 'solutions' an, also Komplettlösungen", sagt Erdal Elver, Chef von Siemens Taiwan. "Es bringt ja nichts, einfach nur die Geräte abzuliefern und den Kunden das dann selber zusammenbauen zu lassen."

Beschreibung: Siemens-Schaltzentrale im Hochaus Taipeh 101 in Taiwan Foto: DW / C.Uhlig
Die Siemens-Schaltzentrale im Hochaus Taipeh 101Bild: DW/C.Uhlig

Grüner Wolkenkratzer

Die Gebäudeautomation macht inzwischen mehr als zehn Prozent des Umsatzes von Siemens Taiwan aus. Ein Markt mit Zukunft, denn die Energiepreise steigen und die Regierung in Taipeh erhöht den Druck, bei Neubauten auf mehr Energieeffizienz zu achten. Bei neuen Projekten kann Siemens auf seine Erfahrungen mit dem Taipei 101 verweisen. In der Rangliste der höchsten Gebäude belegt der an einen Riesenbambus erinnernde Turm zwar nur noch Platz drei. Dafür darf er sich mit dem Titel "Grünster Wolkenkratzer der Welt" schmücken. Siemens hat dafür das Gesamtkonzept ausgearbeitet und die Ausführung überwacht. Dass die Umrüstung bei laufendem Betrieb erfolgte, machte das Projekt nicht einfacher. "Wir mussten die 11.000 Nutzer des Hochhauses schulen. Das war eine echte Herausforderung", erinnert sich Cathy Yang, Vizepräsidentin des Taipei 101.

Belohnt wurden die Anstrengungen mit dem international anerkannten LEED-Zertifikat für Nachhaltigkeit in Platin. Und auch wirtschaftlich hat sich der Aufwand gelohnt, die jährlichen Energiekosten des Hochhauses konnten um 500.000 Euro gesenkt werden. Und deshalb reagiert Siemens-Mann Elver im Gespräch mit der Hochhausmanagerin Yang auch ganz gelassen, als diese sagt, dass sie eigentlich keine Lust mehr hat, in Interviews ständig Siemens loben zu müssen. "Und - wie hast Du dem Reporter geantwortet?", fragt Elver. "Natürlich professionell", grinst Frau Yang. "Dass ihr supereffizient seid." Beide lachen und es klingt nicht gekünstelt.

Beschreibung: Mülltrennung im Hochaus Taipeh 101 in Taiwan Foto: DW / C.Uhlig
Mülltrennung nach bester deutscher Art im Taipeh 101Bild: DW/C.Uhlig

Defizite bei der Ausbildung

Deutsche und Taiwanesen können miteinander. Das war auch bei der gemeinsamen Wirtschaftskonferenz Anfang der Woche (07.05.2013) zu spüren. Da erzählt der eine, dass indische Kunden ungeniert Rabatte verlangen, bis dem Vertriebschef die Tränen kommen. Und der nächste berichtet aus 'mainland china' - also der Volksrepublik - dass man eigentlich immer Angst haben müsse, dass der chinesische Partner von heute schon morgen auf der grünen Wiese seine eigene Fabrik aufmacht, und die deutschen Produkte kopiert.

In Taiwan dagegen wird Patentschutz sehr ernst genommen. Und den taiwanesischen Mitarbeitern wird eine große Loyalität zu ihrem Arbeitgeber bescheinigt. Von der Lehre bis zur Rente in einem Betrieb ist gar nicht selten - auch darin sind die Taiwanesen den Deutschen nicht unähnlich. Allerdings bringen die taiwanesischen Uni-Absolventen nicht unbedingt das mit, was die Unternehmen auch benötigen. "Die Diskrepanz von Ausbildung und praktischen Anforderungen ist so groß, dass Taiwans Präsident Ma darin sogar ein Sicherheitsrisiko für die Zukunftsfähigkeit des Landes sieht", berichtet Roland Wein, Leiter des Deutschen Wirtschaftsbüros in Taipeh. Taiwan ist deshalb sehr an dem dualen Ausbildungssystem nach deutschem Muster interessiert, das praktisches Lernen im Betrieb mit einem klassischen Schulunterricht kombiniert. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bietet entsprechende Programme an. Aber das steckt noch in den Anfängen.

Marktführer in Asien

Die Firmen wissen sich derweil selbst zu helfen. "Drei Monate schauen die Uni-Absolventen bei uns nur zu und dürfen erstmal keinen Knopf anrühren", erzählt Gow Ming Lin, Präsident von Freudenberg Taiwan. Nach vier Jahren sind sie dann soweit, dass sie eigenverantwortlich in der Fertigung arbeiten können. Das Weinheimer Familienunternehmen stellt in Tayuan, etwa 40 Kilometer südlich der Hauptstadt, Vliesstoffe her. Freudenberg ist in Asien Marktführer in diesem Bereich. Das Ausgangsmaterial für das Polyesterprodukt sind zur Hälfte wiederverwertete Plastikflaschen. Das freut Sportschuhhersteller wie Adidas und Nike, die mit den Textilzulieferungen ihre Umweltbilanz aufpolieren können.

Herstellung von Fliessfolie bei Freudenberg Taiwan Foto: DW / C.Uhlig
Herstellung von Fliessfolie bei Freudenberg TaiwanBild: DW/C.Uhlig

Schwerpunkt ist die Herstellung von Trägermaterial für Teppiche. Und auch in Autos findet man Textilien von Freudenberg. Filter, Fußmatten, Kofferraumverkleidungen. Kunden sind die großen deutschen Automarken, aber auch Toyota, Honda und Nissan. Sie alle müssen auf das Gewicht ihrer Autos achten, um den Treibstoffverbrauch in Grenzen zu halten. Das macht die High-Tech-Vliesstoffe interessant, da Sie viel leichter als gewebte Stoffe sind.

Taiwan statt Japan

Als das Unternehmen vor über 25 Jahren nach Fernost ging, hatte man eigentlich Japan im Visier, berichtet Daniel Müller, Finanzchef und einziger Deutscher im Betrieb: "Aber das war auf dem Höhepunkt der Immobilienblase, also für Freudenberg zu teuer. Und China hatte sich noch nicht richtig geöffnet. Also fiel die Wahl auf Taiwan."

Provisorien, so sagt man, halten am längsten. Und eigentlich ist Freudenberg in Taiwan aus dieser Phase auch schon längst heraus. Vom Dach der Fabrik aus schaut der Chef der taiwanesischen Niederlassung, Gow Ming Lin, in die umgebenden Reisfelder. In drei Jahren soll hier eine dritte Produktionshalle in Betrieb gehen - für 35 Millionen Euro. Es ist die bisher größte Investition von Freudenberg in Taiwan.