1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Tag der Toten in Iguala

Astrid Prange25. September 2015

Iguala und kein Ende: Ein Jahr nach dem Massaker an den Studenten beschäftigt sich Mexiko noch immer mit der Aufarbeitung des Verbrechens. Das Drama hat mittlerweile auch den Geheimdienst des Militärs erreicht.

https://p.dw.com/p/1GbqX
Mexiko Demonstrant mit Totenmaske protestiert gegen Entführung von Studenten (Foto: REUTERS/Henry Romero)
Bild: Reuters/H. Romero

"Es ist viel in Bewegung gesetzt worden, um im Fall Iguala nicht gründlich zu ermitteln", erklärt Mexiko-Expertin Christiane Schulz, die auch das Deutsche Institut für Menschenrechte berät. Alle bisherigen Studien zur allgemein verbreiteten Straflosigkeit in Mexiko legten nahe, dass systematisch verschleiert und schlampig ermittelt werde.

Vor genau einem Jahr, am 26. September 2014, "verschwanden" in der mexikanischen Stadt Iguala 43 Lehramtsstudenten, die am Lehramtsseminar von Ayotzinapa studiert hatten. Ihre Leichen sind bis heute nicht gefunden.

Tatort Müllhalde

Nach offizieller Darstellung ist das Verbrechen aufgeklärt: Die Polizei stoppte die Busse, mit denen die Studenten unterwegs waren. Sie zwang die jungen Männer, die Fahrzeuge zu verlassen, und überließ diese den Mitgliedern eines Drogenkartells. Die Kriminellen sollen die Studenten getötet und ihre Leichen auf einer Müllhalde verbrannt haben.

Doch mittlerweile gibt es Zweifel an den offiziellen Aufklärungsbefunden. Die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) eingesetzte Expertengruppe, die das Verbrechen untersucht, erklärte kürzlich, dass die Leichen nicht verbrannt worden sein könnten.

In dem am 6. September veröffentlichten Bericht kamen die Experten zu dem Schluss, dass dafür nicht die notwendigen Brennstoffe zur Verfügung gestanden hätten. Außerdem hätte es keinen ausreichend langen Brand auf der Müllhalde gegeben.

Damit nicht genug. Mittlerweile hat der Skandal auch den militärischen Geheimdienst erreicht. Nach einem Bericht der spanischen Tageszeitung "El Pais" war dieser über den Vorfall in Iguala informiert, griff aber nicht ein, um die Studenten vor der Gewalt von Polizei und Kartellen zu schützen.

Mexiko Massengrab bei Cocula entdeckt
Im mexikanischen Bundesstaat Guerrero wird in der Nähe des Ortes Cocula ein weiteres Massengrab entdecktBild: picture-alliance/dpa/R. Blackwell

Das Militär schaut zu

"Nähere Dich nicht zu stark an, setzte Dich keinem Risiko aus“, soll der mexikanische Oberstleutnant Joel Gálvez den Soldaten Eduardo Mota angewiesen haben. Dieser habe für den Geheimdienst Fotos von der Verhaftung der Studenten in Iguala gemacht und gesehen, wie die Studenten mit den Bäuchen auf dem Boden gefesselt worden waren.

Beide Militärangehörige sagten vor der Staatsanwaltschaft aus. "El Pais“ bezieht sich bei seiner Berichterstattung auf die Aussagen in einem entsprechenden Protokoll, das der Redaktion vorliege. Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft durften die Experten der Interamerikanischen Untersuchungskommission (CIDH) die Militärangehörigen nicht befragen.

Ein Jahr nach dem Massaker wächst der Druck auf die mexikanische Regierung, im Fall Iguala endlich glaubwürdige Ermittlungsergebnisse vorzulegen. Am 24. September hatte sich Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto erstmals zu einem Treffen mit den Angehörigen der Opfer bereit erklärt.

Aus Protest gegen die schleppenden und schlampigen Ermittlungen haben Studenten von Ayotzinapa nun anlässlich des Jahrestages zu weiteren Demonstrationen aufgerufen.

Mexiko Demonstration vermisste Studenten (Foto: EPA/SASHENKA GUTIERREZ dpa)
Angehörige der Opfer von Iguala demonstrieren in Mexiko-Stadt gegen die schleppenden ErmittlungenBild: picture-alliance/dpa/S. Gutierrez

Deutschland schaut weg

Für zusätzliche Unruhe haben auch Medienberichte gesorgt, wonach in den mexikanischen Krisenregionen sowohl Polizisten als auch Mitglieder der Drogenmafia deutsche Gewehre verwenden. So läuft bei der Staatsanwaltschaft in Stuttgart seit fünf Jahren ein Verfahren gegen den Rüstungskonzern Heckler & Koch.

Der Firma wird vorgeworfen, die Anträge für den Export von Gewehren nach Mexiko so abgeändert zu haben, dass einer Genehmigung vom zuständigen Bundeswirtschaftsministerium nichts mehr im Wege stand. Der Kunstgriff bestand darin, bekannte Krisenregionen wie den Bundesstaat Guerrero durch friedliche Regionen zu ersetzen.

Für die Mexiko-Expertin Christiane Schulz ist es an der Zeit, dass der internationale Druck auf Mexiko erhöht wird. "Die EU und auch Deutschland müssen reagieren", fordert sie. Deutschland habe bei seinem strategischen Partner in Menschenrechtsfragen bisher "beide Augen zugedrückt".

Die Menschenrechtsexpertin fordert zudem, dass angestrebte Sicherheitsabkommen zwischen Deutschland und Mexiko auszusetzen, über das seit 2011 verhandelt wird. Schulz: "Solange der Verdacht besteht, dass staatliche Sicherheitskräfte an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt sind, dürfte so ein Abkommen gar nicht diskutiert werden."