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Politik

"Wir leben in schweren Zeiten"

6. Februar 2018

Das Regierungsprogramm einer möglichen neuen großen Koalition nimmt immer deutlicher Gestalt an. An den Anfang wollen Union und SPD das Thema Europa stellen. Die Verhandlungen ziehen sich hin.

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Koalitionsverhandlungen SPD Union
Merkel bei der Ankunft in der Berliner CDU-Zentrale Bild: Reuters/H. Hanschke

Bei der Zusammenkunft der rund 90-köpfigen Verhandlungsrunde am späten Nachmittag gaben sich einzelne Unterhändler vorsichtig optimistisch. Abschließende Beratungen waren dies aber noch nicht. Gerungen werde weiter um die Gesundheitspolitik und über Arbeitsmarktregelungen, verlautete in Berlin. Gefeilscht wurde offenbar auch noch um die Etats für Rüstung und für die Entwicklungszusammenarbeit. "Wie es kommen wird, werden wir sehen", sagte viel- und nichtssagend die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner. Man wisse "um die Verantwortung".

An den Anfang des knapp 170 Seiten starken Koalitionsvertrags wollen Sozialdemokraten und Konservative das Thema Europa stellen, wie aus dem bekannt gewordenen Entwurf hervorgeht. "Ein neuer Aufbruch für Europa" und "Eine neue Dynamik für Deutschland" wurden die wichtigsten Kapitel überschrieben.   

Deutschland Koalitionsverhandlungen von Union und SPD- Julia Klöckner
Gab sich zuversichtlich: CDU-Vize Klöckner Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

"Schmerzhafte Kompromisse"

Es ist der zweite Tag der Verlängerung bei den Verhandlungen über eine weitere große Regierungskoalition (kurz: GroKo) in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zum Auftakt noch einmal die Bildung einer stabilen Regierung für Deutschland angemahnt und "schmerzhafte Kompromisse" aller Beteiligten gefordert.

"Wir dürfen das Zentrale nicht aus dem Auge verlieren, wenn wir uns die unruhigen Börsenentwicklungen der letzten Stunden anschauen. Wir leben in unruhigen Zeiten", sagte die CDU-Vorsitzende mit Blick auf die starken Kursverluste an den weltweiten Finanzmärkten. SPD-Chef Martin Schulz sprach vor der wohl letzten Verhandlungsrunde von einem "Tag der Entscheidung".

"Die Nacht wird lang"

Der Generalsekretär der CSU, Andreas Scheuer, hatte wegen der offenen Fragen nicht mit einem raschen Durchbruch gerechnet: "Die Nacht wird lang." CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte: "Alle sind jetzt gefordert, sich aus ihren Schützengräben rauszubewegen". Und warnte: "Heute muss das was werden, ansonsten könnte sich das wahrscheinlich nicht leicht erklären lassen". Nicht nur er sprach von der "Stunde der Wahrheit". 

"Gesichert ist hier gar nichts"

Auch ein Scheitern wollten einige Teilnehmer nicht gänzlich ausschließen, so etwa der CDU-Vizevorsitzende Volker Bouffier: Er halte eine Verständigung noch für möglich, sagte der hessische Ministerpräsident vor der finalen Verhandlungsrunde. "Aber gesichert ist hier gar nichts." Er verstehe, dass die Sozialdemokraten ihre Positionen durchsetzen wollten. Aber auch die Union habe einen Wählerauftrag, sagte Bouffier. "Unsere Wähler erwarten von uns, dass wir unsere Position hier auch verteidigen."

Am Montag hatte es in der CDU/CSU Unmut darüber gegeben, dass die SPD zum einen bei den vom Parteitag geforderten Nachbesserungen beim Arbeitsrecht und der Gesundheit auf zu weitreichenden Forderungen beharre. Bei der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen und dem ebenfalls verlangten Ausstieg aus der "Zwei-Klassen-Medizin" war man nicht vorangekommen.

Verfassungsrichter prüfen SPD-Mitgliedervotum   

Gelingt eine Einigung, könnte am Mittwoch der Koalitionsvertrag vorgestellt werden. Allerdings wartet im Anschluss mit der Befragung der SPD-Basis eine weitere Hürde und wochenlange Hängepartie. Zudem prüft jetzt das Bundesverfassungsgericht, ob der SPD-Mitgliederentscheid überhaupt zulässig ist. Es habe fünf Anträge gegeben, das Votum zu untersagen, sagte ein Sprecher in Karlsruhe.

Zuvor hatte die Zeitung "Rheinische Post" darüber berichtet. Demnach gibt es Zweifel, ob sich die von der SPD geplante Mitgliederbefragung mit der Freiheit der Abgeordneten und den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie vereinbaren lässt. Vier der fünf Anträge gegen die Befragung der Mitglieder enthalten laut Gerichtssprecher auch eine Verfassungsbeschwerde. Zwei davon wurden aber bereits abgelehnt.

Nach dem Eintritt Tausender neuer Mitglieder in die SPD könnten insgesamt 463.723 Sozialdemokraten über den geplanten Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen. Seit Neujahr seien 24.339 Neumitglieder dazugekommen, teilte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil mit.

SC/as (afp, rtr, dpa)