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Tadel und Beifall für die EZB

3. Dezember 2010

Die Europäische Zentralbank hat dem Ruf der Politik widerstanden, das Ankaufprogramm für Staatsanleihen klammer Euro-Länder auszuweiten. In der Presse findet das ein geteiltes Echo.

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Der Präsident der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet (Foto: apn)
EZB-Präsident Trichet: "Weiter wie bisher."Bild: AP

Die Europäische Zentralbank widersteht dem lauten Ruf von Politik und Märkten nach einer großangelegten Rettungsaktion für klamme Euro-Länder. Das im Mai auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise begonnene Ankaufprogramm für Staatsanleihen werde fortgesetzt wie bisher, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag (02.12.2010) nach der regulären Zinssitzung des Zentralbankrats in Frankfurt. Ob es erweitert wird, ließ Trichet offen und enttäuschte damit Hoffnungen auf eine milliardenschwere Unterstützungsaktion für die schuldengeplagten Staaten am Rande der Euro-Zone.

Damit hält sich EZB-Chef Jean-Claude Trichet alle Möglichkeiten offen, kommentiert die Börsen-Zeitung:

"Die Frankfurter Währungshüter widerstehen dem Druck von Politik und Märkten, das Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen massiv auszuweiten. Die Folgen wären langfristig verheerend, und zwar allein deshalb, weil sie den Druck von den Regierungen nehmen, ihre Hausaufgaben zu machen und ihre Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Man kann die EZB und ihren Präsidenten aber auch kritisieren. Er gibt den Märkten kein ausreichendes Signal für die Bereitschaft der Notenbank, zu Hilfe zu eilen, wenn Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion am Markt immer höhere Risikoaufschläge zahlen müssen und im Extremfall ernste Probleme mit ihrer Zahlungsfähigkeit bekommen - was eines Tages auch den Bestand des Euro bedrohen könnte. In jedem Fall hat sich die EZB alle Optionen offen gehalten. Ihre Weigerung, jetzt endgültig alle Schleusen zu öffnen, hält den Druck auf die Regierungen aufrecht. Sollte es an den Märkten aber zu heiß hergehen, kann die EZB immer noch eingreifen."

Enttäuscht reagiert dagegen der Kommentator der Agentur reuters, weil der große Befreiungsschlag ausgeblieben sei:

"Diese Steilvorlage nimmt EZB-Präsident Jean-Claude Trichet kalt lächelnd nicht an: Wer dachte, dass Politik und Finanzmärkte die Europäische Zentralbank in diesen Tagen erneut wie im Fall Griechenland im Frühjahr vor sich hertreiben könnten, wurde am Donnerstag von Notenbankchef Jean-Claude Trichet enttäuscht. Wir machen, was wir für richtig halten - redet ihr doch was ihr wollt! Das war - zugespitzt - die Botschaft, die Trichet den Journalisten nach der Sitzung des EZB-Rats in Frankfurt in die Blöcke notierte. Adressaten waren Regierungen in ganz Europa und EU-Währungskommissar Olli Rehn, der wenige Stunden vor dem Treffen der Notenbanker den Ball ins Feld der EZB gespielt hatte, mit der unzweideutigen Aufforderung zum Torschuss. Doch Trichet & Co. wollten (noch) nicht den Mittelstürmer spielen. Die ultima ratio gigantischer Käufe von Staatsanleihen der Euro-Problemländer findet (zumindest vorerst) nicht statt. Die EZB bleibt zwar weiter auf Kurs und kauft Papiere aus klammen Ländern wie Griechenland und Irland - vielleicht auch von Portugal und Spanien. Doch der große Befreiungsschlag, zu dem Politik und Finanzmärkte die Hüter des Euro seit Tagen drängten, blieb aus."

Die Financial Times Deutschland spendet dagegen der Entscheidung der EZB, ihr Ankaufprogramm nicht auszuweiten, uneingeschränkt Beifall. Die EZB sei eben "kein Pudel der Politik", meint der Kommentator:

"Ganz offensichtlich hat die EZB keine Lust, sich von Politikern treiben zu lassen. Politikern, die es selbst in der Hand hatten und haben, mit Banken, Immobilienmärkten und Staatsfinanzen verantwortungsvoll umzugehen. Politikern, die seit Monaten mit unheimlicher Regelmäßigkeit immer wieder so ungeschickt vorgehen, dass sie das Gegenteil von dem Erstrebten erreichen. Die oft genug aus populistischen Erwägungen den einfachen Weg gehen und etwa "Spekulanten" für die hohen Renditen verantwortlich machen, die sie zahlen müssen, anstatt schmerzhafte Strukturreformen anzugehen. Politiker, die mit ganz schlechtem Timing mitten in einer Vertrauenskrise Unsicherheit säen, indem sie Investoren - vage - Einbußen bei künftigen Rettungsaktionen für Schuldenstaaten in Aussicht stellen. Gerade nach den jüngsten Forderungen nach neuen Hilfen hatte die EZB gar keine andere Wahl als hart zu bleiben - alles andere hätte so ausgesehen, als lasse sich die Zentralbank diktieren, was sie zu tun hat. (...) Trichet hat den Ball am Donnerstag daher richtigerweise wieder dahin gespielt, wo er hingehört: in die Hauptstädte der Euro-Zone. Es gebe eine "klare Notwendigkeit" für die Regierungen, das Vertrauen in die öffentlichen Finanzen herzustellen, sagte der Franzose. Recht hat er. Europas Politiker müssen die Misere, die sie zu verantworten haben, selbst lösen. Die EZB kann dabei helfen. Zur Allzweckwaffe sollte sie sich nicht machen lassen."

Enttäuscht von der zögerlichen Haltung der EZB ist dagegen der Kommentator im Handelsblatt:

"Nach der gestrigen Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) ist zu befürchten, dass die Notenbank weitermachen wird wie bisher: nicht entschlossen genug und deswegen erfolglos. (...) Notgedrungen hat sich der EZB-Rat dazu durchgerungen, die Vollversorgung der Banken mit jeder gewünschten Menge Liquidität zum Leitzins von einem Prozent beizubehalten, bis es den Banken überall hinreichend gutgeht. Andernfalls hätte er befürchten müssen, eine neue akute Bankenkrise auszulösen. Was aber die andere Sondermaßnahme der EZB angeht, das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen, zog sich EZB-Präsident Jean-Claude Trichet auf fast schon peinliche Weise auf Floskeln zurück. Berichte aus den Handelssälen, dass die EZB wieder verstärkt Anleihen kaufe, sorgten zwar am Donnerstag für kräftige Zinsrückgänge auf den umkämpften Anleihemärkten. Doch das könnte sich ebenso schnell wieder umkehren, wenn die EZB ihre Entschlossenheit zum Eingreifen nicht deutlich macht. Vielleicht reicht ein aufgestockter Rettungsschirm noch, um Spanien darunterschlüpfen zu lassen. Für Belgien oder gar Italien langt der politische Stützungswille dann aber sicherlich nicht mehr. Dann gibt es nur noch die Transferunion. Oder die EZB muss sich doch dazu durchringen, in richtig großem Maßstab Staatsanleihen aufzukaufen, um das Dominospiel der Märkte zu beenden. Für die Banken, die sich zu einem Prozent bei der EZB refinanzieren und Staatsanleihen mit fünf, sechs oder im Falle Griechenlands über elf Prozent Rendite kaufen, wird das ein blendendes Geschäft, vor allem für die starken, die ein großes Rad drehen können. Es ist für sie viel besser, als wenn die EZB vorher sagte, dass sie zum Eingreifen bereit ist. Denn dann würden die Renditen gar nicht erst so hoch steigen - und sie müsste ihre Ankündigung vielleicht gar nicht wahrmachen."

Zusammengestellt von Rolf Wenkel
Redaktion: Monika Lohmüller