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Tabubruch: RAF-Ausstellung in Berlin

Cornelia Rabitz24. Juli 2003

Zwei Jahrzehnte lang hat die "Rote Armee Fraktion" – kurz RAF – in Deutschland scheußliche Verbrechen begangen. Eine in Berlin geplante Ausstellung über diese Ära sorgt schon im Vorfeld für Wirbel.

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Arbeitgeber-Präsident Hanns-Martin Schleyer - 1977 von der RAF entführt und ermordetBild: AP

Mindestens 30 Menschen kamen bei den Anschlägen der "Rote Armee Fraktion" ums Leben, darunter Prominente aus Wirtschaft und Politik. Ein Arbeitgeberpräsident, zwei bekannte Banker, ein Generalbundesanwalt zum Beispiel. Die RAF, zu deren Gründungsmitgliedern Studenten und Intellektuelle aus dem gutbürgerlichen Milieu zählten, kämpfte gegen das angeblich imperialistische System in der Bundesrepublik. Sie wollten die Gesellschaftsordnung mit Gewalt zerstören. In den 1970er Jahren gab es spektakuläre Terroristenprozesse und Verurteilungen, in der Haft nahmen sich die Protagonisten der Bewegung das Leben.

Ein Tabu scheint gebrochen

Die Ausstellung soll frühestens im Herbst 2004 zu sehen sein – ein schlüssiges Konzept liegt noch nicht vor. Dennoch ist ein Sturm der Entrüstung entstanden – angefacht durch den Bericht einer vielgelesenen deutschen Boulevard-Zeitung, die von einem "Skandal" und einem "Gipfel der Geschmacklosigkeit" gesprochen hat. Dieser Bewertung schlossen sich umgehend auch Bundestagsabgeordnete von Union, FDP und SPD an. Die Kritik gipfelt in dem Vorwurf, die Schau "Mythos RAF" trage zur Legendenbildung und zur Glorifizierung der Terroristengruppe "Rote Armee Fraktion" bei.

Die Wogen der Empörung schlagen immer höher, auch der Bund ist nunmehr gefragt, denn immerhin fördert er das Projekt mit 100.000 Euro aus dem Haupstadt-Kulturfonds. Angehörige von RAF-Opfern haben sich an den Bundeskanzler gewandt. Sie verlangen eine Absage der Ausstellung.

Ausstellung "ja" oder "nein"?

Das Berliner Ausstellunghaus "Kunst-Werke" will trotzdem an den Planungen festhalten. Der künstlerische Leiter, Klaus Biesenbach, bringt es auf den Punkt: "Der öffentliche Wirbel sagt, es braucht diese Ausstellung. Dieser öffentliche Wirbel beweist aber eigentlich nur, welches Interesse und welche Notwendigkeit eine Aufarbeitung bedeutet."

Den Vorwurf der Glorifizierung einer terroristischen Vereinigung, die für Morde, Banküberfälle und andere kriminelle Taten verantwortlich ist, weist Biesenbach zurück und führt aus, dass es bei der Konzeption darum gegangen sei, die Wirkung der kriminellen Handlungen der RAF zu beleuchten, sie zu demythologisieren, zu deglorifizieren und sie auf den tragischen Kern zurückzuführen. Es sei wichtig, dass die Fakten wie zum Beispiel Zeitungen, Dokumente, aber auch erschütternde künstlerische Installationen, Fotografien und Malerei mal auf den Tisch kämen.

Unglückliches Versäumnis

Biesenbach bedauerte ausdrücklich, daß man sich nicht rechtzeitig direkt an die Hinterbliebenen der Opfer gewandt habe, ein Brief sei geplant gewesen, aber noch nicht abgeschickt worden. Dies solle nun mit dem Ziel der Einbeziehung von Angehörigen nachgeholt werden.

Der FDP-Politiker Burkhard Hirsch – in den 1970er Jahren Innenminister des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen – meint, es sei durchaus angebracht, sich der Geschehnisse zu erinnern. Allerdings müsse dabei genau differenziert werden, wessen man gedenken wolle: der Verbrecher oder der Opfer oder ob man die Frage stellen wolle, wie diese Leute eigentlich zu ihren Taten gekommen seien und was sie tatsächlich bewirkt hätten.

Distanziert haben sich unterdessen auch Institutionen, die das Ausstellungsprojekt zunächst unterstützt haben. So hat der Hamburger Kunstmäzen und Gründer des renommierten Instituts für Sozialforschung, Jan Philipp Reemtsma, den Organisatoren inzwischen verboten, mit seinem Namen für die Schau zu werben. Die Bundeszentrale für politische Bildung legt Wert auf die Feststellung, dass derzeit die Voraussetzungen für eine Kooperation fehlen und betont, Bedingung für die Beteiligung an einem Begleitprogramm zur Ausstellung sei ein schlüssiges Konzept. Dieses müsse der Legendenbildung entgegenwirken, sich einem wissenschaftlichen Ansatz verpflichtet fühlen und die Angehörigen von RAF-Opfern in die Vorbereitungen einbeziehen.