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Tabakwerbeverbot: "Bundesregierung riskiert drastische Strafe"

Das Interview führte Steffen Leidel 12. April 2006

Die EU-Kommission droht der Bundesregierung wegen Versäumnissen im Kampf gegen Tabakkonsum mit rechtlichen Schritten. Zu Recht, sagt Suchtexperte Rolf Hüllinghorst im Interview mit DW-WORLD.DE.

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Kein Rauchverbot in Deutschland in SichtBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

DW-WORLD.DE: Der EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou hat die Bundesregierung aufgefordert, die EU-Richtlinie zum Werbeverbot für Tabak in nationales Recht umzusetzen. Er sei ansonsten entschlossen, den Fall unverzüglich vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen. Er kritisierte zudem, dass sich Deutschland mehr Zeit lasse als andere Länder, um rauchfreie Zonen zu schaffen. Inwiefern sind die Vorwürfe der EU gerechtfertigt?

Rolf Hüllinghorst: Die sind voll gerechtfertigt. Die EU hat eine Richtlinie verabschiedet und die Bundesregierung setzt sie nicht um. Es hat schon zwei Nachfristen gegeben und die Bundesregierung denkt nicht daran, da etwas zu tun. Man muss dazu sagen, dass zum Ende der rot-grünen Bundesregierung die zuständige Ministerin, Renate Künast, einen Gesetzentwurf zur Umsetzung eingebracht hat. Der ist dann mit der Wahl aber unter den Tisch gefallen. Und der neue Minister, Horst Seehofer, hat gesagt, er bringt ihn nicht ein, weil die Bundesregierung ja noch gegen das Tabakwerbeverbot klagt.

Hat der Regierungswechsel also einen Rückschritt in dieser Frage bedeutet?

So kann man das sagen. Herr Seehofer nimmt bewusst in Kauf, dass die Bundesregierung mit einer drastischen Strafe belegt wird. Er spielt hier mit dem Geld der Steuerzahler.

Aus dem Verbraucherministerium heißt es aber, Nichtraucherschutz sei ein besonderes Anliegen der Bundesregierung. Was ist von dieser Aussage zu halten?

Natürlich ist Nichtraucherschutz ein besonderes Anliegen der Bundesregierung. Gerade deshalb verstehe ich nicht, warum die Tabakwerbe-Richtlinie nicht umgesetzt wird. Ich bin Mitglied im Drogen- und Suchtrat. Dort haben wir hehre Ziele formuliert. Aber die müssen dann auch in konkretes Gesetzeshandeln umgewandelt werden.

Wie stark ist der Einfluss der Lobby der Zigarettenindustrie in dieser Frage?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles ohne Zutun der Zigarettenindustrie passiert. Als die EU-Richtlinie anstand, hat die Zigarettenindustrie eine große Allianz geschmiedet, nämlich mit den Zeitschriftenverlegern, mit den Werbetreibenden, den Kinoanbietern, mit allen, die in irgendeiner Weise von der Tabakwerbung betroffen sind. Das hat sich politisch so ausgewirkt, dass da auch die letzte Bundesregierung nicht besonders aktiv war bei der Umsetzung der Tabakwerberichtlinie. Aber nun, da völlig klar ist, dass die Klage der Bundesregierung in Luxemburg keine aufschiebende Wirkung hat, ist unverständlich, dass Herr Seehofer jetzt den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie nicht forciert.

Warum ist die Zigarettenlobby in Deutschland so stark?

Vielleicht liegt es schlicht daran, dass die Lobbyisten gute Arbeit leisten. Deutschland ist auch ein gewaltiger Markt. Der Kampf um die Marktanteile ist groß. Die Konzerne betrachten Deutschland nach wie vor als einen der wichtigsten Märkte.

Wo liegt Deutschland im europäischen Vergleich?

Luxemburg und Deutschland sind die einzigen Staaten, die die Tabakwerberichtlinie nicht umgesetzt haben. Wir haben kein Werbeverbot in den Printmedien, kein Werbeverbot beim Sponsoring und kein Werbeverbot im Internet. Das haben aber alle anderen europäischen Länder schon, mit Ausnahme von Luxemburg, das bisher eingeschränkte Werbeverbote in Printmedien hat und keine im Internet.

Deutschland also Schlusslicht?

So kann man das sagen.

Zur Fußballweltmeisterschaft hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung mit dem Fußballweltverband FIFA eine Kampagne für Nichtraucherschutz vereinbart. Ist das nicht ein begrüßenswerter Schritt?

Es ist ein Skandal, dass die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland nicht rauchfrei sein wird. Die beiden letzten WMs wurden rauchfrei durchgeführt. Bisher ist nicht zu ergründen, warum es diesmal nicht so sein wird. Es hat wohl mit dem Organisationskomitee zu tun, nicht aber mit der FIFA. Deren Präsident hat sich ja aufgeregt, dass die WM nicht rauchfrei ist. Hier sind in Deutschland Entscheidungen getroffen worden im Kreis des Fußballs, die WM nicht rauchfrei zu machen. Auch das muss mit Sponsoren zu tun haben. Die Aktion, die jetzt läuft, ist eine Art Rückzugsgefecht. Man wirbt für die Nichtraucher, wirbt für Rücksichtnahmen. Das alles gibt es schon. Die Umsetzung ist auf dem deutschen Bahnhof besser als im deutschen Stadion. Das ist nur Etikettenschwindel.

Rolf Hüllinghorst
Bild: picture-alliance / ZB

Rolf Hüllinghorst ist Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm