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Yildirim deeskaliert ein wenig

3. Juni 2016

Abzug des Botschafters aus Berlin, Proteste vor dem Konsulat in Istanbul: Die Türkei reagierte empört auf die Armenien-Resolution des Bundestages. Doch mittlerweile kommen etwas gemäßigtere Töne aus Ankara.

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Der türkische Premierminister Binali Yildirim (Foto: DPA)
Bild: picture alliance/abaca/M. Aktas

Die Völkermordresolution des Bundestages wird nach den Worten des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim nicht zu einem völligen Bruch in den deutsch-türkischen Beziehungen führen.

"Deutschland und die Türkei sind sehr wichtige Bündnispartner", sagte Yildirim nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara. "Niemand soll erwarten, dass sich mit dieser und mit ähnlichen Entscheidungen plötzlich unsere Beziehungen zu Deutschland vollständig verschlechtern", sagte Yildirim. Natürlich werde die Türkei aber auf die Resolution reagieren.

Botschafter abgezogen

Alle Fraktionen im Bundestag hatten am Donnerstag nahezu geschlossen für eine Resolution gestimmt, in der die Tötung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern sowie Aramäern und Angehörigen weiterer christlicher Minderheiten vor rund hundert Jahren im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet wird. Das weist Ankara vehement zurück.

Die türkische Regierung reagierte empört und rief unmittelbar nach dem Beschluss ihren Botschafter aus Berlin zurück. Zudem bestellte sie den Geschäftsträger der deutschen Botschaft, Robert Dölger, für ein Gespräch ins türkische Außenamt ein. Der deutsche Botschafter Martin Erdmann hält sich derzeit nicht in der türkischen Hauptstadt auf.

Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von "ernsten Folgen" für die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei. Außenminister Mevlüt Cavusoglu warf Deutschland vor, mit der "haltlosen" Parlamentsentscheidung von den "dunklen Seiten der eigenen Geschichte" ablenken zu wollen.

Proteste vor Konsulat

Zum Schutz vor antideutschen Protesten riegelte die türkische Polizei die Umgebung vor dem deutschen Generalkonsulat in Istanbul ab. Zahlreiche vorwiegend nationalistische Demonstranten protestierten in Sichtweite des Konsulats gegen die "imperialistische Lüge" eines Völkermordes an den Armeniern. Auf Transparenten wurde Deutschland als "faschistisch" bezeichnet.

Drei der vier im türkischen Parlament vertretenen Parteien sprachen der Resolution des Bundestags "jede historische und rechtliche Gültigkeit" ab. In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Regierungspartei AKP sowie die Oppositionsparteien CHP und MHP die Regierung auf, zur Wahrung der türkischen Interessen "die nötigen Maßnahmen und Entscheidungen" zu treffen. Das Parlament sei zu jeder Unterstützung bereit.

Angesichts der Verärgerung in Ankara bemühten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) um Deeskalation. Beide betonten die engen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei und hoben hervor, dass rund drei Millionen Menschen türkischer Abstammung in Deutschland lebten. Steinmeier nannte die türkischen Proteste "erwartungsgemäß", warnte zugleich aber vor "Überreaktionen" in den nächsten Tagen und Wochen.

"Drohungen schüchtern uns nicht ein"

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, verteidigte die Völkermord-Resolution. Es sei das demokratische Recht des Bundestags, "zu solchen massiven Menschenrechtsverletzungen Stellung zu nehmen, damit sich Unrecht nicht wiederholt", sagte Kauder der in Chemnitz erscheinenden "Freien Presse". "Drohungen schüchtern uns da nicht ein, sondern machen uns entschlossener", betonte der CDU-Politiker mit Blick auf die Reaktionen der Türkei.

In Armenien wurde die Resolution positiv aufgenommen. Mehr als 100 überwiegend junge Armenier kamen vor die deutsche Botschaft in der armenischen Hauptstadt Eriwan zu einer Freudendemonstration. Viele trugen Plakate, auf denen "Danke" zu lesen war.

cr/ml (dpa, afp)