1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Merkel vergibt Comedian nicht"

Wolfgang Dick / Başak Demir15. April 2016

Nach der Entscheidung der Kanzlerin, die den Weg für ein Strafverfahren gegen Satiriker Jan Böhmermann ebnete, reagieren viele türkische Medien verhalten - einige triumphieren.

https://p.dw.com/p/1IWnp
Straßenszene Istanbul (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nuancen zwischen den Zeilen, aber keine offene Kommentierung: Es ist eine nüchterne und zurückhaltende Linie, die die Online-Ausgaben vieler türkischer Zeitungen in den ersten Stunden verfolgen, nachdem die deutsche Kanzlerin am Freitag vor die Presse getreten ist.

Die staatliche Nachrichtenagentur "Anadolu Ajansı" schrieb: "Die Bundesregierung lässt eine Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann zu, der mit seinem Gedicht den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beleidigt hat." Dass der Straftatbestand der Beleidigung erfüllt ist, steht für die Agentur offenbar schon fest. Die Zeitung "Hürriyet" verwies in sachlichem Ton darauf, dass es innerhalb der Bundesregierung Meinungsverschiedenheiten gegeben habe. Die Minister der SPD hatten sich dagegen ausgesprochen, die Justiz zur Strafverfolgung zu ermächtigen.

Unterstützung für Merkel

Die Erdogan und der Regierungspartei AKP nahestehende Zeitung "Yeni Akit" ließ in ihrer Online-Überschrift Triumph erkennen: "Erdogan hat's ihm gegeben - Deutschlands Narr wird Rechenschaft ablegen." Das zur Turkavaz-Mediengruppe gehörende, ebenfalls regierungsnahe Medium "Sabah" versah die Nachricht aus Berlin mit dem Titel: "Die Beleidigung ist nicht ungestraft geblieben." Dass die deutsche Justiz erst einmal tätig werden muss und noch gar kein Urteil gefällt ist, unterschlägt "Sabah".

Doch auch das regierungskritische Medium "Diken" hat getitelt: "Merkel konnte Erdogan nicht 'Nein' sagen." Und "Cumhuriyet" schrieb von einer "richtigen Entscheidung".

Die regierungskritische "Karşı Gazete" konzentrierte sich nicht nur auf die Kanzlergenehmigung für eine Strafverfolgung, sondern zitierte in warnendem Tonfall die Kanzlerin. "Sie hat (…) auch erklärt, dass die Regierung den Paragrafen 103 des Strafgesetzbuches abschaffen möchte, der diesem Prozess den Weg ebnet. Das hat bei einigen Kreisen den Eindruck erweckt, dass es schon eine Klageabweisung gibt, bevor es angefangen hat."

Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan (Foto: picture alliance/dpa)
Schweigt bisher zu Merkels Entscheidung: Präsident ErdoganBild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Gewichtung unterschiedlich

Für den Sender "ATV" war Merkels Entscheidung die Top-Geschichte des Abends, unterlegt mit einem Banner: "Zweiter Schock für den impertinenten ZDF-Clown." "ATV" feierte - wie andere regierungsnahe Medien - den "Erfolg für Erdogan" und interessierte sich weniger für das ausstehende juristische Nachspiel.

"Canal D" gewichtete die Themen des Tages anders und brachte später in der Nachrichtensendung die Geschichte "Merkel zu Böhmermann". Dazu eine Einblendung: "Merkel vergibt Comedian nicht." Mit solchen Wertungen hielten sich die Nachrichten von "Show TV" eher zurück.

Die Journalistin Tülin Daloglu, die sich für die Deutsche Welle etliche Programme angesehen und verglichen hat, betonte: "Viele Medien verhalten sich doch vorsichtig, weil sie erst einmal die Richterentscheidung abwarten wollen." Klare, als solche gekennzeichnete Kommentare gibt es bisher nicht.

Andere Themen wichtiger

Generell hat die Affäre Böhmermann-Erdogan in der Türkei ohnehin nicht den Stellenwert, den sie in Deutschland gewonnen hat. "Türkische Medien beschäftigen ganz andere Themen", sagt Tülin Daloglu. Wichtiger seien beispielsweise der Konflikt mit der PKK oder die Türkeiberichte des Europäischen Parlaments. "Kommentare werden erst am Wochenende erwartet", so die Journalistin.

Das türkische Medienecho war auch noch aus einem anderen Grund am Freitag nicht groß. Zwar hat die Regierungspartei durch ihren Sprecher Ömer Celik die Merkel-Entscheidung "richtig" genannt, aber Staatspräsident Edogan selbst hat sich bisher noch mit keinem Wort dazu geäußert.