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Syriens viele Fronten

Kersten Knipp8. Juni 2013

Die Regierungstruppen haben mit der Eroberung von Kusair einen wichtigen Etappensieg errungen. Über den weiteren Kriegsverlauf sagt das aber wenig. Denn die Rebellen haben gute Gründe, sich nicht geschlagen zu geben.

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Ein Panzer der Regierungstruppen in Kusseir (Foto: AFP / Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Wer durch Syrien reist, kommt an Kusair nicht vorbei. Die von idyllischen Oliven- und Aprikosenhainen umgebene Ortschaft liegt im Herzen des Landes, auf halber Strecke zwischen Damaskus und Aleppo. Auch wer von der Küste ins Landesinnere aufbricht, nimmt den Weg über Kusair. Knapp 150 Kilometer im Osten liegt die Stadt Palmyra. Richtung Westen hingegen ist nach wenigen Kilometern die Grenze zum Libanon erreicht.

Diese zentrale Lage ist Kusair zum Verhängnis geworden. Im Frühjahr 2012 wurde die Stadt von den Rebellen gestürmt, die von dort aus die Verbindungen zwischen Damaskus und dem Rest des Landes kappten. Im Mai dieses Jahres ging dann das Assad-Regime zum Gegenangriff über: Drei Wochen lang belagerten und beschossen seine Truppen mit massiver Unterstützung durch die libanesische Hisbollah den Ort, ungeachtet der dort eingeschlossenen Zivilisten. In der Nacht zu Mittwoch (05.06.13) gaben die Rebellen den Widerstand auf. Die Regierungstruppen eroberten das Städtchen zurück. Sie betraten eine Ruinenlandschaft. Gut 30.000 Menschen lebten bis zur Frühjahrsoffensive 2012 dort. Nun harren dort gerade noch 500 Bewohner aus.

Kampf um die Verkehrsachsen

Das Beispiel von Kusair zeigt, worum es im Kampf zwischen Regierungs- und Rebellentruppen in erster Linie geht: um die zentralen Verkehrswege des Landes, über die der Nachschub für die kämpfenden Truppen läuft. "Das geostrategische Gesamtbild", schreibt der türkische Think Tank EDAM in seiner Studie zur geostrategischen Lage in Syrien, "stellt einen robusten bewaffneten Kampf um Versorgungswege, Kommunikationslinien, Autobahnen und Knotenpunkte dar."

Kusair war dabei nicht nur wegen seiner ohnehin zentralen Lage umkämpft. Zusätzliche Bedeutung erhält der Ort, weil er Damaskus mit den syrischen Küstengebieten verbindet. Dort leben viele Angehörige der alawitischen Bevölkerung, aus deren Reihen Baschar al-Assad stammt und die dem Regime zu großen Teilen weiterhin verbunden sind. Sollte das Regime stürzen, wären die Küstenstädte der natürliche Rückzugsort für ihn und seine Getreuen.

Syrische Regierungssoldaten hissen die Nationalflagge in Kusseir, 5.6. 2013 (Foto: AFP/Getty Images)
Kusair nach dem Etappensieg der RegierungstruppenBild: AFP/Getty Images

Insofern, so Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit der DW, ist die Eroberung von Kusair für das Regime ein militärischer Erfolg. Allerdings sei es schwierig, von einzelnen Siegen oder Niederlagen Schlüsse auf den mittelfristigen Verlauf des Krieges zu ziehen. "Zwar können die Rebellen nicht so schnell siegen, wie sie es zunächst gedacht hatten. Aber gleichzeitig ist auch das Regime nicht in der Lage, größere Gebiete im Norden oder Nordosten des Landes zurückzuerobern."

Rebellen beherrschen ländliche Gegenden, Regierungstruppen die Städte

Doch gerade auf die nördlichen Gebiete kommt es an. Denn dort kontrollieren die Rebellen weite Teile des Territoriums. "Am stärksten sind die Rebellen in der Provinz Itlib im Nordwesten des Landes", so David Butter vom britischen Forschungsinstitut Chattham House, im Gespräch mit der DW. Zudem beherrschten sie die Hälfte des Stadtgebiets von Aleppo sowie die angrenzenden Landstriche im Norden und Osten, hin zur türkischen Grenze. Auch hätten sie in Teilen des Eufrat-Tales sowie in den ländlichen Gebieten um Homs das Sagen.

Panzer der Regierungstruppen in Kusseir, 5.6. 2013 (Foto: Reuters)
Unterwegs zu neuen Kämpfen: Panzer der Regierungstruppen in KusairBild: reuters

In den größeren Städten herrschen dagegen die Regierungstruppen vor. Zuletzt haben sie vor allem in Damaskus, Homs und in Tartus, wo das russische Militär einen Flottenstützpunkt unterhält, militärische Erfolge erzielt. Aber damit, so Hisham Marwah, Sprecher der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte, im DW-Interview, sei noch nichts entschieden: "Das Regime verzeichnet vor allem deshalb Fortschritte, weil es den Rebellen an Waffen mangelt. Wenn sie aber wieder Waffen erhalten, wird sich die Situation sehr schnell wieder ändern."

Künftiger Kriegsverlauf kaum vorhersagbar

Derzeit scheint es, als eroberten die Regierungstruppen Teile verlorenen Gebietes wieder zurück. Es sei aber fraglich, so David Butter, ob sie das eroberte Kusair als Ausgangspunkt für einen Feldzug Richtung Aleppo nutzen könnten. "Das könnte vergleichsweise schwierig werden, da die Nachschubwege sehr lang sind. Außerdem können sie die ländlichen Gebiete nicht so gut kontrollieren."

Plakat des syrischen Präsidenten Baschar Al Assad und des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah in der schiitischen Pilgerstätte Sayyida Zainab bei Damaskus (Foto: Matthias Tödt )
Waffenbrüder: Hisbollah-Chef Nasrallah und Syriens Präsident AssadBild: picture alliance/ZB

Zudem sei zweifelhaft, ob das Assad-Regime angesichts des anhaltenden Widerstands und des Hasses großer Teile der Bevölkerung jemals wieder das gesamte Land unter seine Kontrolle bringen könnte. Insofern ließen die jüngsten militärischen Erfolge der Regierungstruppen nur bedingt Rückschlüsse auf den weiteren Verlauf des Krieges zu, so Butter. Denn nach wie vor führten die Rebellen einen entschlossenen Guerillakrieg. Außerdem seien die Regierungstruppen weiterhin auf Unterstützung aus Iran und Russland angewiesen. "Die aber kostet Iran eine Menge Geld und Russland einen guten Teil diplomatischer Glaubwürdigkeit. Das Regime kann darum nur überleben, wenn seine Verbündeten es unterstützen - sie also gewissermaßen in sein Überleben investieren."