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Syriens Opposition tagt in Tunis

18. Dezember 2011

Der oppositionelle syrische Nationalrat hofft darauf, als einzige legitime Vertretung des Volkes anerkannt zu werden. Inwiefern er tatsächlich die syrische Bevölkerung repräsentiert, ist allerdings umstritten.

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Syrer demonstrieren in Latakia gegen das Regime Assad (Foto: DPA)
Syrer demonstrieren in Latakia gegen das Regime AssadBild: picture-alliance/dpa

Während das syrische Regime weiter gewaltsam gegen seine Gegner vorgeht, berät der oppositionelle syrische Nationalrat (SNC) an diesem Wochenende in Tunis über eine Strategie zum Schutz der Zivilisten. Außerdem soll ein politisches Programm für die Zeit nach einem Sturz von Staatspräsident Bashar Al-Assad ausgearbeitet werden. Die Ergebnisse sollen am Montag (19.12.2011) öffentlich vorgestellt werden.

Mehrere Monate hatte es gedauert, bevor sich verschiedene Gruppen der syrischen Opposition im August 2011 zum syrischen Nationalrat zusammenschlossen. Kein Wunder: Die Vorstellungen, wie es mit Syrien nach einem Sturz von Assad weitergehen soll, unterscheiden sich stark voneinander; und in der Frage, was bis dahin passieren muss, sind sich die Oppositionellen genauso uneinig. Denn die syrische Bevölkerung besteht aus vielen verschiedenen ethnischen und konfessionellen Gruppen mit unterschiedlichen Interessen. Araber, Kurden und Armenier gehören genauso dazu wie Sunniten, Schiiten, Alewiten und Christen.

Keine unabhängige Berichterstattung

Syriens Präsident Bashar Al-Assad (Foto: DPA)
Geht gewaltsam gegen seine Gegner vor: Syriens Präsident Bashar Al-AssadBild: picture-alliance/dpa

Ein Teil der mehr als 20 Millionen Syrer unterstützt den Aufstand gegen das Regime Assad aktiv. Wie viele es tatsächlich sind und wie viele von ihnen friedlich oder bewaffnet sind, lässt sich nicht genau feststellen. Verlässliche Informationen aus Syrien sind schwer zu bekommen, weil die syrische Führung bislang keine unabhängige Berichterstattung aus dem Land zuließ. Fest steht, dass das Regime seit Monaten gewaltsam gegen seine Gegner vorgeht. Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen bei den Auseinandersetzungen bisher mehr als 5000 Menschen ums Leben.

Der syrische Nationalrat mit mehr als 100 Mitgliedern hat sich zum Ziel gesetzt, die Opposition zu einen und das Regime von Bashar Al-Assad zu stürzen. "Ein Manko in der ersten Phase des Aufstands war, dass es keine Ansprechpartner gab", sagt Heiko Wimmen, Syrien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. "Der syrische Nationalrat versucht, eine Alternative zum Regime zu verkörpern und glaubwürdig zu machen." In seiner Gründungserklärung spricht sich der Rat gegen eine Intervention von außen aus. Darauf scheinen sich die wichtigsten Oppositionsparteien, die im syrischen Nationalrat vertreten sind, geeinigt zu haben. Ein Generalsekretariat mit 29 Mitgliedern leitet den syrischen Nationalrat. Muslimbrüder, Kurden, Vertreter der Koordinationskomitees, die die Proteste in Syrien organisieren, und Politiker des liberalen Lagers gehören dazu. Burhan Ghalijun, Professor der Pariser Universität Sorbonne und gebürtiger Syrer, steht diesem Gremium vor.

Bitte um internationale Anerkennung

Demonstration für Bashar Al-Assad (Foto: Xinhua)
Viele Syrer unterstützen ihren Präsidenten auch weiterhinBild: picture-alliance/landov

Die meisten Mitglieder des syrischen Nationalrats leben im Ausland; lediglich eine Minderheit ist in Syrien aktiv, zum Beispiel für die Koordinationskomitees, die die Proteste gegen das Regime in Syrien organisieren. Die Namen dieser Mitglieder werden aus Sicherheitsgründen geheim gehalten. Der syrische Nationalrat spielt eigenen Angaben zufolge zurzeit eine Rolle als Exilregierung und hat um internationale Anerkennung gebeten. Als erster UN-Mitgliedstaat hat das nachrevolutionäre Libyen der Gaddafi-Gegner das Gremium als einzige legitime Vertretung Syriens anerkannt. Andere Staaten sind zögerlicher.

"Es ist noch nicht eindeutig, welche Legitimation der Nationalrat tatsächlich hat, im Namen der syrischen Bevölkerung zu sprechen", gibt Heiko Wimmen von der SWP zu bedenken. "Es gibt auch Organisationen und Zusammenschlüsse in Syrien, die ebenfalls für sich in Anspruch nehmen, für Kräfte der demokratischen Veränderung zu sprechen. Auch sie werden von vielen respektierten Oppositionellen und den Koordinationskomitees unterstützt." Ein Beispiel dafür ist die am Donnerstag (15.12.2011) in Istanbul gegründete Nationale Allianz der revolutionären Kräfte.

Kompliziert wird die Lage auch noch dadurch, dass Syrien inzwischen zum Schauplatz des saudisch-iranischen Machtkampfes um die regionale Vorherrschaft geworden ist. Während die meisten arabischen Staaten – mit Unterstützung der USA und anderer westlicher Mächte – die syrische Protestbewegung unterstützen, hat der Iran offen Partei für das Assad-Regimes ergriffen. Nur wenige arabische Staaten, die zugleich enge Beziehungen mit dem Iran haben und in denen einflussreiche schiitische Kräfte in der Regierung sitzen, wie der Irak und der Libanon, stützen Assad noch.

Einzige legitime Vertretung?

Der syrische Nationalrat muss sich seit seiner Gründung mit Kritik auseinandersetzen. So wurde ihm beispielsweise vorgehalten, dass die sunnitischen Muslimbrüder im Nationalrat überproportional mehr Einfluss hätten als in Syrien selbst. Unklar ist außerdem, inwieweit sich die Strategie der relativen Gewaltlosigkeit durchhalten lässt. Die Berichte über grausame Übergriffe auf Regimeanhänger häufen sich. Heiko Wimmen gibt noch einen weiteren Punkt zu bedenken: "Nach wie vor kann das Regime große Massendemonstrationen von Leuten auf die Straße bringen, die sicherlich nicht alle mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen werden", sagt er. "Zu diesem Zeitpunkt kann der syrische Nationalrat nicht als die einzige legitime Vertretung der syrischen Bevölkerung angesehen werden."

Autorin: Anne Allmeling
Redaktion: Julia Elvers-Guyot