1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Syrien-Intervention: Rhetorik oder Realität?

Nils Naumann31. Mai 2012

Massaker an der Zivilbevölkerung, ein gescheiterter Waffenstillstand, der Bürgerkrieg vor der Eskalation. Angesicht der Lage in Syrien fordern immer mehr westliche Politiker eine Militärintervention.

https://p.dw.com/p/1564e
Protestierende Syrer (Foto: dapd)
Bild: Reuters

So schnell gibt Kofi Annan nicht auf. Noch immer glaubt der UN-Sondergesandte für Syrien an seinen Sechs-Punkte-Plan zur Befriedung des Landes. Alle am Konflikt beteiligten Seiten, so fordert Annan gebetsmühlenartig, müssten die Gewalt einstellen.

Dabei wollen inzwischen sogar die Rebellen aus dem Friedensplan aussteigen. Annan solle das Scheitern des Planes offen eingestehen, forderte der syrische Rebellenführer Riad al-Asaad, und damit Militärschläge der Opposition legalisieren. Ohnehin halten sich auch die Rebellen schon lange nicht mehr an den Waffenstillstand.

Der UN-Sondergesandte für Syrien Kofi Annan (Foto: dapd)
Unermüdlich: der UN-Sondergesandte Kofi AnnanBild: dapd

Das Sterben in Syrien geht also weiter. Genau so wie der Streit im UN-Sicherheitsrat. Russland, traditioneller Verbündeter Syriens und Veto-Macht, lehnt zusätzliche Strafmaßnahmen gegen das Regime von Baschar al-Assad ab. Ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin erklärte, Moskau werde auch unter dem wachsenden Druck der anderen Sicherheitsratsmitglieder seine Position nicht ändern. Von einem Militäreinsatz mit UN-Mandat, wie ihn zuletzt Frankreichs Präsident François Hollande in die Diskussion gebracht hatte, hält Russland überhaupt nichts. Eine Einigung in diesem Punkt ist nicht in Sicht.

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, sprach sich deswegen dafür aus, den Druck auf die syrische Regierung zur Not auch ohne Zustimmung des Sicherheitsrates zu erhöhen. Wenn das Gremium weiter uneinig bleibe, müssten dessen Mitglieder und die internationale Gemeinschaft prüfen, "ob sie bereit sind, Maßnahmen außerhalb der Autorität dieses Rates zu ergreifen". Was für Maßnahmen das sein könnten, sagte Rice nicht. Allerdings ist bekannt, dass US-Präsident Barack Obama zumindest bislang eine Militärintervention ablehnt.

Machtlos: UN-Beobachter an einem Checkpoint der syrischen Sicherheitskräfte (Foto: Reuters)
Machtlos: UN-Beobachter an einem Checkpoint der syrischen SicherheitskräfteBild: Reuters

Eine Phantom-Debatte

"Eine militärische Intervention ist definitiv keine Option", sagt Heiko Wimmen, Syrien-Experte der Stiftung Wissenschaft Politik. "Das ist eine Phantomdebatte." François Hollande wolle sich offenbar kurz vor den französischen Parlamentswahlen profilieren. "Es gibt keine legale Basis und keine UN-Resolution für eine Intervention - und das wird sich auch in nächster Zukunft nicht ändern", betont Wimmen. Der Grund: Russland und China, ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates mit Veto-Recht, widersetzen sich solchen Pläne.

Andre Bank, Syrien-Experte beim Hamburger GIGA-Institut, sieht das ähnlich: "Es gibt unter den westlichen Staaten keine wirkliche Begeisterung für eine klassische Militärintervention". Die USA steckten mitten im Präsidentschaftswahlkampf. Und in den europäischen Hauptstädten fehle, trotz manchmal starker Rhetorik, der Wille für den Einsatz von Soldaten. Ganz zu schweigen von einer Mission ohne UN-Mandat.

Frankreichs Präsident Francois Hollande (Foto: Reuters)
Wahlkämpfer: Frankreichs Präsident François HollandeBild: Reuters

Syrien ist nicht Libyen

Vor gut einem Jahr steckte der Westen in einer ähnlichen Situation. Damals eskalierte der Bürgerkrieg in Libyen. Die Opposition stand unter Druck, musste sich zurückziehen. Die Truppen des Diktators Muamar al-Gaddafi gewannen die Oberhand. Es drohte ein Massaker. Der Druck auf den Westen einzugreifen stieg.

Es war Frankreichs damaliger Präsident Nicolas Sarkozy, der als einer der ersten einen Militäreinsatz zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung forderte. Schließlich griff die NATO ein, auf der Basis eines Mandats des UN-Sicherheitsrates. Das Militärbündnis schwächte die Regierungstruppen mit gezielten Luftschlägen, setzte eine Flugverbotszone für die libysche Luftwaffe durch und überwachte das Waffenembargo.

Doch Analysten betonen, dass die Situation in Libyen nicht mit der in Syrien vergleichbar ist. "Libyen war in Ost und West geteilt. Es gab eine Frontlinie. Und es gab eine einsatzbereite Rebellenarmee. Der Westen hatte einen Partner, mit dem er zusammenarbeiten konnte", sagt Wimmen. "In Syrien haben wir nichts davon. Das Land hat eine wesentlich größere Bevölkerung, es ist ethnisch und religiös gespalten. Viele, vor allem die Minderheiten, haben Angst, was passieren könnte, wenn Assad abtritt."

Ein NATO-Jet kehrt nach einem Einsatz in Libyen zurück zu seiner Basis in Sardinien (Foto: ap)
März 2011: Ein NATO-Jet kehrt nach einem Einsatz in Libyen zurück zu seiner Basis auf SardinienBild: dapd

Der Truppenbedarf für eine Militärintervention in Syrien, glaubt Wimmen, wäre enorm. Er würde sich in einer Größenordnung wie beim Irak-Krieg 2003 bewegen. Im Westen fehlt es aber sowohl am politischen Willen als auch an den finanziellen Mitteln für einen derartigen Einsatz.

Russland und Iran als Schlüsselstaaten

Trotz des offensichtlichen Scheiterns des Annan-Plans sind sich die Experten einig, dass die diplomatischen Mittel im Syrien-Konflikt noch nicht ausgeschöpft sind. Bank empfiehlt, auch mit Syriens Verbündetem Iran zu sprechen: "Wenn es eine regionale Macht gibt, die Einfluss auf Syrien hat, dann ist das der Iran. In den Gesprächen mit dem Iran geht es immer nur um das Atomprogramm. Das ist natürlich wichtig. Der Westen sollte aber auch versuchen, in informellen Kontakten mit dem Iran das Syrien-Problem zu lösen."

Wimmen glaubt, dass ein anderer syrischer Verbündeter der Schlüssel zur Beendigung des Blutvergießens ist. Russland hat bereits zweimal mit seinem Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat Resolutionen, die schärfere Sanktionen gegen Syrien vorsahen, gestoppt. "Russland ist entscheidend. Wenn die Russen ihre Position überdenken und ihre Unterstützung Syriens aufgeben, dann wäre das ein schwerer Schlag für das Regime", sagt Wimmen. Dann könnten schärfere Sanktionen verhängt werden. Und die, so glaubt Wimmen, könnten die Herrschaft des Regimes beenden.