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Politik

Heimkehr in zerstörte Städte

3. August 2017

Seit Wochen kehren syrische Flüchtlinge in ihre Heimatorte zurück. Noch sind es relativ wenige, und nicht alle kommen aus Überzeugung. Von dem Trend profitiert vor allem das Assad-Regime.

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Syrer kehren in vom Krieg zerstörtes Aleppo zurück
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kremer

Die Rückeroberung des verlorenen Terrains macht Fortschritte. Dorf um Dorf, Landstrich um Landstrich hat das Assad-Regime von den Rebellen zurückgeholt. Im Dezember vergangenen Jahres wichen die Rebellen unter dem militärischen Druck auf den östlichen Teil Aleppos zurück, im März diesen Jahres gaben sie ihre einstige Hochburg Homs auf. In nahezu allen großen Städten des Landes sind die Aufständischen zurückgedrängt. Für das Assad-Regime scheint der Zeitpunkt gekommen, sein Image aufzubessern, national wie international.

So hat es nun die Bürger des Stadtteils Al-Waer in Homs dazu aufgefordert, in ihre Häuser zurückzukehren. Knapp 600 Personen sind der Aufforderung gefolgt. Alle kommen sie aus dem Flüchtlingslager Zoghra im Nordosten Aleppos. Seitdem das Viertel vor Wochen von der Nationalen Syrischen Armee zurückerobert worden ist, wagen sie sich dorthin zurück. In teils größeren, teils kleineren Gruppen träfen sie in Al-Waer ein, berichtet das mit der Politik im Nahen Osten befasste Internet-Magazin "Al-Monitor". Noch können sich allerdings nicht alle entschließen: Ursprünglich berichtet "Al-Monitor", waren die 600 nun zurückgekehrten Personen Teil einer größeren, rund tausend Menschen umfassenden Gruppe. Knapp 400 seien beim Anblick des zerstörten Stadtteils umgekehrt.

Syrien Vertriebene Region Rakka
Fremde im eigenen Land: syrische BinnenflüchtlingeBild: Getty Images/AFP/D. Souleiman

Rückkehr der Normalität?

Für das Assad-Regime sind die Rückkehrer dennoch ein Erfolg: Es kann nun für sich in Anspruch nehmen, seine Bürger bei der Rückkehr in die alte Heimat zu unterstützen, sogar solche, die einst in den Reihen der - säkularen - Opposition kämpften. "Das Regime versucht die Rückkehrer für den Nachweis zu nutzen, dass in Al-Waer und anderen zurückeroberten Vierteln alles wieder normal ist", schreibt Al-Monitor.

Allerdings kehren zumindest einige Flüchtlinge nicht freiwillig zurück. Einige derer, die dem Ruf der Regierung gefolgt sind, berichten von unzureichenden hygienischen und sanitären Zuständen in dem für 7500 Personen ausgerichteten Camp Zoghra. Es gebe kaum medizinische Versorgung, kaum Wasser und Elektrizität. Selbst die Ernährung der Flüchtlinge sei nicht ausreichend gesichert. Mehr als alles andere sind es diese Umstände, die die Menschen zurück nach Al-Waer bringen.

Sieg von hohem symbolischen Wert

Auch an andere Orte sind Flüchtlinge zurückgekehrt, so etwa nach Dabiq, einem Ort von besonders hoher symbolischer Bedeutung. Die Kleinstadt im Norden Syriens nahe der Grenze zur Türkei hat in der Mythologie der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) eine herausgehobene Position. Sie bezieht sich auf einen Hadith, eine Sammlung von Äußerungen und Handlungen des Religionsstifters Mohammed. Demnach werde in Dabiq einst eine entscheidende Schlacht zwischen Muslimen und ihren Gegnern stattfinden.

Syrien Vertriebene Region Rakka
Hoffnung trotz allem: Immer mehr Flüchtlinge wollen in ihre Heimat zurückkehren Bild: Getty Images/AFP/D. Souleiman

Der IS eroberte den Ort im August 2014, im Oktober 2016 marschierte dort wieder die syrische Armee ein. Vor einem halben Jahr kehrten die ersten Bewohner heim. Seitdem bemühen sie sich, die alte Normalität wieder herzustellen. Sie haben nicht nur die Infrastruktur wieder hergestellt; sie haben sogar einen Fußballclub gegründet. Der IS hatte Sport und Vergnügen in seinem Herrschaftsbereich verboten, Verstöße wurden auf das Strengste geahndet. Insofern ist die Gründung eines Fußballclubs von weit über die Grenzen des Ortes und zugleich über die des Sports herausragender Bedeutung. Auf diese Weise signalisieren die Rückkehrer vor allem eines: Die Normalität ist wiederhergestellt.

UN: "Prekäre Sicherheitslage"

Insgesamt, berichtet der Sender Al-Jazeera, seien rund eine halbe Million syrische Binnenvertriebene in ihre alten Heimatorte zurückgekehrt. Hinzu kommen rund eine Viertelmillion Flüchtlinge, die seit 2015 aus dem Ausland nach Syrien zurückgekehrt sind. Seitdem sich Russland, die Türkei und der Iran Anfang Mai auf Einrichtungen von Schutzzonen verständigt hätten, sei die Gewalt im Land spürbar zurückgegangen, erklärte Staffan de Mistura, der Syrien-Sonderbeauftragte der UN.

Dennoch könne das UN-Flüchtlingshilfswerk eine Rückkehr nicht uneingeschränkt empfehlen, so Mistura. "Es ist ungewiss, ob die Verbesserung der Sicherheitslage dauerhaft ist. Darum bleiben erhebliche Risiken, die einer freiwilligen sicheren und würdigen Rückkehr im Wege stehen." Außerdem hätten die UN immer noch keinen Zugang in sämtliche Landesteile. "Der Zugang zu den Binnenflüchtlingen innerhalb Syriens bleibt eine unserer großen Herausforderungen", erklärte de Mistura.

Politikschwenk der USA?

Die Anzeichen für eine künftig vermehrte Rückkehr der Flüchtlinge häufen sich jedoch. Die USA hatten in der vergangenen Woche bekannt gegeben, die CIA würde ihr Ausbildungsprogramm für Kämpfer der syrischen Opposition einstellen. Das, so die Zeitung "Al-araby Al-Jadeed", deute darauf hin, dass die USA sich mit einem Verbleib Assads arrangiert hätten. Ja mehr noch: "Die USA geben vor, neutral zu sein. Tatsächlich aber lässt ihre Politik erkennen, dass sie sich auf die russischen Vorstellungen einlassen - und damit indirekt auch auf die Unterstützung Assads."

Der Krieg in Syrien ist noch nicht zu Ende. Die Rückkehr der Flüchtlinge ist aber ein Fingerzeig, dass das Assad-Regime mehr und mehr die Oberhand gewinnt.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika