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Interkulturelle Woche

21. September 2007

Ist der Bau von Moscheen in Deutschland Ausdruck von Religionsfreiheit oder fördert er die Entwicklung von Parallelgesellschaften? Auf der Interkulturellen Woche geht es um solche Themen und den Abbau von Vorurteilen.

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Die Sehitlik-Moschee in Berlin Neukölln, Foto: dpa
Moscheen in Deutschland: Integration oder Isolation?Bild: dpa

Es beginnt in der Regel mit eher banalen Sorgen: Kostet der Bau Parkplätze? Wächst der Lärm? Muss das Minarett so hoch sein? Dann entsteht eine Bürgerinitiative gegen die geplante Moschee, klagen Anwohner bei Verwaltungsgerichten – und schließlich wird aus einer Stellvertreterdebatte die grundsätzliche Frage: Wie viel Islam wollen wir eigentlich? In München, Frankfurt, Berlin und kleineren Orten zeigen hoch erregte Proteste gegen den Bau imposanter muslimischer Gotteshäuser, dass die Auseinandersetzung mit dem Islam immer mehr Menschen ganz persönlich betrifft. Besonders Minarette, die nach der Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel in der islamischen Frühzeit "Siegessäulen" der Eroberung waren, empfinden viele als Provokation.

Betende Muslime in der Kölner DITIB-Moschee, Foto: dpa
Streitfall MoscheeBild: picture alliance/dpa

Die umstrittene Großmoschee in Köln, deren Minarette einmal 55 Meter in den Himmel ragen sollen, sind für den Kölner Schriftsteller Ralph Giordano gar eine "Kriegserklärung an die Umwelt". Doch Fremdenfeindlichkeit kann dem Schriftsteller und Holocaust-Überlebenden nicht unterstellt werden. Es spricht offenbar eher für das Misstrauen vieler Deutscher gegen eine zunehmend selbstbewusster werdende Religion: Nach einer Forsa-Umfrage halten zwei Drittel der Deutschen das harmonische Zusammenleben mit dem Islam auf Dauer für unmöglich. Zugleich belegt eine Untersuchung des Essener Zentrums für Türkeistudien, dass die Religiosität unter den rund 3,3 Millionen Muslimen hierzulande wächst, gerade bei der so genannten "dritten Generation".

Raus aus den "Hinterhofmoscheen"

Seit Anfang der 90er Jahre sind in Deutschland nach Angaben des Soester Islam-Archivs 159 klassische Moscheen mit Kuppel und Minarett entstanden, darunter Großbauten in Mannheim, Bremen oder Duisburg für bis zu 2000 Gläubige. Weitere 184 Projekte sind bundesweit geplant. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 2750 Moscheen oder Beträume, oft in Kellern oder alten Fabrikhallen. Die politischen Entscheidungsträger begrüßen zumeist den Wunsch nach repräsentativen Moscheen.

Foto: Interkulturelle Woche
Soll den Dialog fördern: Die Interkulturelle WocheBild: 2007 - Interkulturelle Woche

Zum einen verbrieft das Grundgesetz die "ungestörte Religionsausübung", zum anderen fördere der Bau zentraler Gotteshäuser die Integration in die deutsche Gesellschaft, so das weitaus wichtigere Argument. "Wir haben 120.000 Muslime in Köln", sagt Oberbürgermeister Fritz Schramma. "Unser Ziel ist es, diese Bürger rauszuholen aus den Hinterhofmoscheen." Eine würdige Gebetsstätte sei ein Symbol dafür, dass Muslime in dieser Gesellschaft "angekommen" seien und sich hier wohl fühlten. Und Bekir Alboga, Dialogbeauftragter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt der Religion (DITIB), beteuert: "Wir wollen keine Parallelgesellschaft. Unsere Moschee wird offen sein für alle Menschen."

Mittel der Integration

Für einen engeren Kontakt zur nichtislamischen Umwelt laden die Muslime in Deutschland seit zehn Jahren immer am 3. Oktober zum bundesweiten "Tag der offenen Moschee". Ein Beispiel für ein entspanntes Verhältnis ist etwa die imposante Mannheimer Yavuz Sultan Selim Moschee: Anfangs heftig angefeindet, steht sie inzwischen für vorbildliche Nachbarschaft mit Andersgläubigen. Und in Duisburg beherbergt die bislang größte Moschee der Bundesrepublik eine viel besuchte interkulturelle Begegnungsstätte.

Die deutsch-türkische Soziologin Necla Kelek (Archiv, Foto: dpa)
Kritikerin KelekBild: dpa - Bildfunk

Skeptiker sehen darin jedoch Ausnahmen. Gerade Großbauten wie in Köln oder München würden mit ihrer geplanten Infrastruktur die Tendenz zur Abschottung weiter verstärken, argumentiert die türkischstämmige Islamkritikerin Necla Kelek. Dort finde ein Muslim vom Supermarkt bis zum Friseur alles, was er braucht, "wenn er nicht nur beten, sondern auch nichts mit der deutschen Gesellschaft zu tun haben will". Noch problematischer sei aber die islamische Glaubenslehre, die in monumentalen Moscheen umso selbstbewusster vermittelt werde. "Dort lernen schon Kinder, die Gesellschaft in Gläubige und Ungläubige zu unterscheiden und dass Frauen den Männern zu dienen haben", so Kelek.

Vorurteile und Beschimpfungen

Die DITIB, die mit 765 Moscheegemeinden größte islamische Organisation und Bauherrin im Land, steht zwar für einen konservativen, betont türkischen Islam. Bei ihren deutschen Verhandlungspartnern gilt sie aber als immun gegen Extremismus, ebenso die meisten kleineren Moscheebauvereine. Für den umtriebigen Generalbevollmächtigten der europäischen Moscheebau- und Unterstützungsgemeinschaft, Ibrahim el Zayat, interessiert sich dagegen der Verfassungsschutz wegen möglicher Verbindungen zur fundamentalistischen Muslimbruderschaft. (ina)