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Supergirls versus Pippi

Sabine Damaschke24. Juni 2008

Sie sind schön, blond und sexy. Die Mädchenfiguren im Kinderfernsehen erfüllen nicht nur alte Klischees, sie spielen auch deutlich seltener die Hauptrolle als Jungen. Das hat eine internationale Medienanalyse ergeben.

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Japanische Manga-Mädchen prägen das Schönheitsideal im KinderfernsehenBild: Marie Sann

Eine Heldin mit roten Zöpfen, großen Zähnen und bunten Strümpfen? Nein danke. Da sind sich Julia und Marie einig. Den beiden zehnjährigen Mädchen gefällt zwar, dass Pippi Langstrumpf frech und stark ist, "aber sie sieht so hässlich aus". Die Zeichentrickfigur Kim Possible macht da schon deutlich mehr her oder die Supergirls mit Wespentaille aus "Totaly spice", die undercover ermitteln. Am liebsten aber sehen Julia und Marie "Germany’s next Topmodel".

Schön und sexy sind die Mädchenfiguren im deutschen Fernsehen. Doch nicht nur dort. In der weltweit größten Medienanalyse hat das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) festgestellt, dass Kinder in 24 Ländern viele alte Rollenklischees im TV zu sehen bekommen. Besonders das Frauenbild, das in Zeichentrickserien verbreitet wird, sei "besorgniserregend", erklärt IZI-Leiterin Maya Götz. Zwei von drei weiblichen Figuren hätten unnatürlich lange Beine und eine Wespentaille.

Deutliche Sexualisierung durch japanische Serien

Seit zehn Jahren beobachtet die 40-jährige Pädagogin eine deutliche Sexualisierung der Mädchenfiguren. Mit den globalisierten Anime-Serien, die überwiegend aus der japanischen Mangakultur kommen, habe die Zahl der Sexbomben im Kinderprogramm stark zugenommen. "Das hat fatale Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein der Mädchen", sagt Götz. "Denn der eigene Körper kann hier im Vergleich nur defizitär wirken."

Comicfiguren von Chuck Johnes
Ob Hase oder Ente: Tierfiguren sind meistens männlichBild: AP

Doch nicht genug, dass die weiblichen Figuren stereotyp gezeichnet sind. Sie spielen meistens auch noch die Nebenrolle. 68 Prozent der Hauptfiguren, so ein weiteres Ergebnis der Analyse, sind männlich. Bei Tieren, Monstern und sonstigen Wesen sieht das Verhältnis sogar noch schlechter aus. 87 Prozent der Tierfiguren sind männlich, nur knapp 13 Prozent weiblich. Ein Missverhältnis, für das Götz nur einen Grund findet: "Ob ein Tier grammatikalisch ein Er oder eine Sie ist, hängt einzig vom Willen der Produzenten ab." Weil die meistens männlich seien, so die Projektleiterin, vermittelten sie auch ein von Männern gestaltetes Frauenbild. "Hier fehlt leider die Geschlechtersensibilität."

Die Produzenten führen laut Götz allerdings einen anderen Grund dafür an, warum "das Männliche zum Normalfall erhoben wird". Sie behaupten, Mädchenfiguren ließen sich nicht gut verkaufen, denn Jungen wollten keine weiblichen Helden, während Mädchen sich auch mit männlichen Figuren identifizieren könnten. Medienpädagogin Nadine Kloos hält das durchaus für möglich, nennt aber auch Gegenbeispiele. "Figuren wie Kim Possible oder Lilo aus 'Lilo und Stich' sind bei Mädchen wie Jungen gleichermaßen beliebt", sagt Kloos, die im Projekt FLIMMO des Münchner Instituts für Medienpädagogik arbeitet.

Eltern sollten Fernsehkonsum begleiten

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Die Stars der deutschen Soaps erfüllen alle RollenklischeesBild: AP

Was für das Kinderfernsehen gilt, beobachtet die Medienpädagogin erst recht im Erwachsenen-TV. "Bereits im Alter von zehn Jahren wechseln viele Mädchen zu den Soaps und Reality-Shows, in denen oft ein völlig antiquiertes Bild von Partnerschaft vermittelt wird," beobachtet Kloos. Dort spielten Frauen dann die Rolle der "schönen Geliebten", in deren Welt sich alles um einen Mann drehe.

Zwar sei das Angebot an anspruchsvollen Kinderfilmen und -serien, die ein differenziertes Geschlechterbild vermitteln, in den letzten Jahrzehnten größer geworden, sagt die Medienpädagogin. "Doch Kinder müssen darauf aufmerksam gemacht werden." Dies ist nach Ansicht Kloos‘ eine wichtige Aufgabe der Eltern. Sie sollten den Medienkonsum nicht nur steuern, sondern auch begleiten.

"Kinder suchen starke Figuren, an denen sie sich orientierten können", betont auch Götz. "Wenn Mädchen nur die schönen Supergirls sehen, dann brennt sich das ein." Die Pädagogin appelliert daher an die Filmemacher, endlich von den Idealbildern abzuweichen. Denn Kinder, so hat sie in einer Studie nachweisen können, mögen die Wespentaille überhaupt nicht. Erst im Alter von 11 bis 12 Jahren steige der Anteil derjenigen, die sich eine sexualisierte Figur wünschten, auf 20 Prozent, fand Götz heraus.

Übrigens betrifft das auch die Jungen. "Irgendwie sehen die Mädchen in den Zeichentrickfilmen komisch aus", meint der siebenjährige Max. "Mit so einem dünnen Bauch und so langen Wimpern könnten die gar keinen Sport machen." Und das, meint Max, sei den meisten Mädchen in seiner Klasse viel wichtiger als toll auszusehen.