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Suche nach neuer Heimat

Siegmund Plohmann 10. August 2003

Die Zahl der chinesischen Asylbewerber in Deutschland ist stark gestiegen. Die Chinesen flüchten vor allem vor der Willkür von Behörden in ihrem Land. Die Aussichten auf Anerkennung in Deutschland sind aber gering.

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Viele Chinesen fühlen sich in ihrem Land ungerecht behandeltBild: AP

Jeder fünfte, der im Juni in der Karlsruher Landesaufnahmestelle um Asyl bat, kam aus China. Der große Zustrom aus dem Reich der Mitte ist auch für die Beamten der Behörde ungewöhnlich. Als Gründe vermuten sie zum einen die hohe Arbeitslosigkeit in China, zum anderen die Ausreisebedingungen, die für Chinesen besser geworden sein. "Man braucht kein polizeiliches Führungszeugnis mehr, um zu kommen. Es gibt offensichtlich auch mehr Möglichkeiten, an ein Visum zu gelangen", sagt Irmgard Rosenatzschka, Mitarbeiterin der Behörde.

Vom Touristen zum Asylbewerber

Seite Mitte Februar dieses Jahres gilt ein Abkommen zwischen China und Deutschland, das es Chinesen ermöglicht, in kontrollierten Reisegruppen als Touristen Deutschland zu besuchen. Trotz strenger Kontrollen nutzen offenbar einige Chinesen diese Reisen zur Flucht und beantragen Asyl. 1.287 Chinesen wurden bis Ende Juni schon gezählt, damit ist die Zahl der chinesischen Asylbewerber im ersten Halbjahr 2003 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 80 Prozent gestiegen.

In Karlsruhe warten derzeit 100 Chinesen in der Landesaufnahmestelle für Asylbewerber auf ihre Verteilung in irgendeine der vielen Sammelunterkünfte auf Stadt- oder Kreisebene Eine 22-jährige Chinesin erzählt, sie sei, wie ihr Vater, Falun-Gong-Anhängerin. Ihre Eltern seien Mitte der 1990er Jahre nach einer Polizei-Razzia verschwunden und sie habe sie seitdem nicht mehr wieder gesehen. "Sie wurden eingesperrt, ich habe seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen", sagt sie.

Willkürliche Beamte

Auf ihrer sieben-monatigen Odyssee nach Deutschland hat die 22-Jährige aus Hunan eine 27-Jährige aus Sichuan kennengelernt. Was sie zu erzählen hat, lässt keinen Zuhörer ungerührt: Sie habe zwei Kinder und sei von einem lokalen Beamten gezwungen worden, eine Strafe von 30.000 Yuan für ihr zweites Kind zu zahlen, obwohl nicht einmal die Zentralregierung noch eine solche Strafe vorsieht. Daraufhin habe sie den Betreffenden angezeigt. Die Folge: Die ganze Familie sei bei einer Razzia von der Polizei misshandelt worden. Schließlich sei sie geflohen, ihr Mann habe sie aber im Stich gelassen.

Politische Gründe werden laut Bundesamt äußerst selten für die Asylsuche genannt. Häufig würden die Regelungen zur Familienplanung, also die Ein-Kind-Ehe, und Behördenwillkür angegeben, sagt Irmgard Rosenatzschka. Das bestätigt einer der chinesischen Asylbewerber auf der Karlsruher Behörde: "Ich habe keine politischen Gründe. Ich habe in China gut gelebt. In China gibt es zwar Unannehmlichkeiten und die Regierung kümmert sich darum. Aber die kleinen Beamten reißen alles an sich, von der Unterstützung landet nichts in unseren Händen."

Von den in diesem Jahr gestellten 1.287 Asylanträgen von Chinesen wurden nur 13 voll als Asylberechtigte anerkannt, 25 haben einen Abschiebeschutz bekommen - das sogenannte "kleine Asyl", ohne Arbeitserlaubnis, weil sie über einen sicheren Drittstaat eingereist sind. Weit über 1.200 droht dagegen die Abschiebung in ihr Heimatland.