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Städte in Atemnot

Klaus Feldkeller6. August 2003

Die Bundesregierung will mit einer Reform der Gemeindefinanzierung die Städte aus ihrer Finanznot befreien. Die Zeit drängt, Städte und Gemeinden haben bei ihren Sparmaßnahmen bereits die Schmerzgrenze überschritten.

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Zuhauf geschlossene Schwimmbäder: den Kommunen geht die Luft ausBild: AP

Die Malaise der Städte liegt in erster Linie in der Gewerbesteuer begründet. Bei dieser Steuer mussten die Städte im vergangenen Jahr wegen der schlechten Konjunktur Einnahmeeinbußen von acht Prozent hinnehmen, und auch in diesem Jahr rechnen die Experten mit einem weiteren Rückgang. Dabei ist die Gewerbesteuer die wichtigste kommunale Steuer. Knapp jeder dritte Euro in den Kassen deutscher Gemeinden ist ihr zu verdanken. Diese Steuer wird von den Betrieben und Unternehmen am Ort erhoben und richtet sich nach dem Ertrag einer Firma.

Hinzu kommt, dass Bund und Länder seit der Steuerreform ihren Anteil an den Einnahmen aus der Gewerbesteuer deutlich erhöht haben - laut Bundeswirtschaftsministerium lag der Satz 2002 bei 25 Prozent. Der Wuppertaler Oberbürgermeister Hans Kremendahl sieht hier die Ursachen der Finanzkrise: "Ohne die Auswirkungen der Steuerreform und einiger Entwicklungen hätten wir in diesem Jahr einen ausgeglichenen Haushalt in Einnahmen und Ausgaben vorlegen können", sagt Kremendahl. "Seitdem sind zusätzliche Verschlechterungen in einer Größenordnung von rund 90 Millionen Euro eingetreten."

Sparen am Limit

Geringere Einnahmen, steigende Sozialausgaben und auf der anderen Seite schrumpfende Investitionen haben die Kommunen in einen Teufelskreis gebracht. So gibt es keine Chance, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Kommunen haben zwar Einsparungen etwa bei der Zahl der Beschäftigten vorgenommen. Nach Ansicht von Rolf Voigtmann, Personalratsvorsitzender bei der Stadtverwaltung Wuppertal, ist hier aber das Ende der Fahnenstange erreicht: "Für Beamte heißt das, dass sie nicht befördert werden können in der Zeit. Und das machen Sie mal einem Mitarbeitern klar, der schon jahrelang faktisch auf einer höherwertigen Stelle sitzt und entsprechende Arbeiten verrichtet und dann ihm gesagt wird, also aufgrund dieser haushaltslosen Zeit - ich nenne das mal so - ist im Moment für dich nichts drin."

Auch haben die Städte und Gemeinden freiwillige Leistungen zurückgefahren, Schwimmbäder geschlossen oder Zuschüsse für kulturelle Einrichtungen wie Theater gekürzt. Doch auch hier gibt es kaum noch Spielraum für weitere Einsparungen. "Wir müssen gesetzliche oder durch Verordnungen des Bundes oder der Länder vorgeschriebene Standards erfüllen", sagt der Wuppertaler Oberbürgermeister Hans Kremendahl. Dazu gehören bestimmte Gruppengrößen in Kindertagesstätten oder ein festgelegter Betreuungsaufwand bei schwer Erziehbaren, die garantiert werden müssen. "Wir müssen das Personal und die Einrichtungen dafür vorhalten, dass diese Standards auch gewahrt werden können", so Kremendahl weiter.

Umstrittene Finanzierungsmodelle

Wie prekär die Kassenlage der Kommunen ist, zeigt das Beispiel von früher undenkbaren Finanzierungs-Modellen. Sparen und mehr einnehmen, egal wie, lautet derzeit die Devise für die Städte und Gemeinden - beispielsweise mit dem so genannten Cross-Border-Leasing. Das sind Hin- und Rückmietverträge von Investoren aus den USA mit deutschen Kommunen. Dabei geht es darum, Steuervorteile zu nutzen. Beispielsweise vermietet die Stadt Leipzig ihre Wassertürme und die Kanalisation für 99 Jahre an einen amerikanischen Investor. Die Stadt mietet alles sofort wieder zurück, jedoch nur für 29 Jahre. Diese Transaktion nutzt einen legalen Steuervorteil: Wegen der langen Laufzeit gilt das Geschäft in den Vereinigten Staaten als Auslandsinvestition. Der amerikanische Investor spart dadurch Steuern. Der Großteil der eingesparten Steuern verbleibt in den USA, einen Teil überweist der Investor an die deutsche Kommune. Für Leipzig hat sich das Geschäft gelohnt: 18 Millionen Euro flossen dadurch in die Stadtkasse.