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Sturmflut im Maßstab 1:50

Daniel Scheschkewitz, New Orleans28. Februar 2006

Die Deiche haben versagt - und so versank New Orleans durch Hurrikan "Katrina" im Wasser. Die Stadt liegt unter dem Meeresspiegel. Die Bevölkerung soll nun besser geschützt werden - ein Mammutprojekt.

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Geologen und Ingenieure Louisiana vor Überschwemmungen wie nach 'Katrina' schützenBild: AP

In Vicksburg im US-Bundesstaat Mississippi, dreihundert Kilometer nördlich von New Orleans, bauen die Ingenieure des "US Army Corps of Engineers" fieberhaft an einem tausend Quadratmeter großen Modell. Im Maßstab von 1:50 und mit Hilfe eines Wellengenerators sollen hier die physikalischen Kräfte untersucht werden, die zum Bruch der Deiche und Schutzwälle am "17th Street Canal" führten, wodurch weite Teile von New Orleans am 29. und 30. August 2005 überflutet wurden. "In etwa einer Woche wird das Modell fertig sein", sagt Armee-Korps-Ingenieur William Seabergh. "Dann müssen wir noch streichen und die Auflage der Farbe muss so sein, dass sie der realen Oberflächenstruktur vor Ort entspricht. Und dann können wir mit den Tests beginnen."

Experten aus allen Ecken

New Orleans Louisiana Superdome ein halbes Jahr nach Katrina
Der Louisiane Superdome in New Orleans ein halbes Jahr nach der Katrina-Katastrophe - bessere Deiche hätten Schäden auch hier verhindertBild: AP

Die Zeit drängt. Am 1. Juni beginnt die neue Hurrikansaison und Meteorologen rechnen mit starken Stürmen in den nächsten Jahren. Die Testmessungen am Modell sind Teil einer größeren 20-Millionen-Dollar-Studie, die dem US-Kongress bis zum 1. Juni vorliegen muss und aus der die Politker die richtigen Empfehlungen für einen wirksamen Flutschutz für New Orleans und die Mississippi-Golfküste ableiten wollen.

"Über 150 Ingenieure, Wissenschaftler und Experten aus 50 verschiedenen Organisationen arbeiten gemeinsam an dieser Untersuchung", erklärt Task-Force-Sprecher Wayne Stroupe. "Die Leute kommen aus staatlichen, städtischen und Bundesbehörden. Von Universitäten und Hochschulen und aus der Privatwirtschaft. Zivile Ingenieure, Hydrauliker, Geotechniker, Ökonome - die Expertise kommt aus allen Bereichen."

Höhere Deiche - und zurück zur Natur

Unterdessen untersuchen Geologen und andere Wissenschaftler am "Coastal Research Laboratory" in New Orleans das komplexe Zusammenwirken von Küstenerosion, Klimaerwärmung und Ölbohrungen auf den Küstenschutz. Unbestritten ist, dass der Meerespiegel an der stark erodierten Küste Lousianas mit etwa einem Zentimeter im Jahr stärker ansteigt als irgendwo sonst an der US-Küste. Durch Bebauungsmaßnahmen wurden die bei Hurrikan-Fluten wie Schwämme wirkenden Marschlandschaften der Küstenregion zunehmend trocken gelegt. Einwirkungen, die den Überschwemmungseffekt eines Hurrikans noch verstärken.

Geologen wie Mark Kulp, Direktor des "Coastal Research Laboratory" an der Universität on New Orleans, empfehlen deshalb: "Wir werden die Deiche erhöhen müssen. Wir müssen uns auch um die Restaurierung der ursprünglichen Küstenlandschaft kümmern. Wir müssen Pläne machen, wie einige der Marschgebiete besser geschützt werden können, und wir müssen überliegen, wie der Inselgürtel im Golf von Mexiko mit seiner natürlichen Schutzfunktion für die Küste von Louisiana restauriert werden kann."

New Orleans als Test für die Welt

Beim Ingenieurkorps der US-Armee, für den Zustand der Deiche nicht nur in New Orleans zuständig und - wie Experten meinen - über lange Jahre sträflich unterfinanziert, wittert man Morgenluft. Nach "Katrina" und den Versprechungen der Politik würde man gerne den Auftrag für ein neues Flutschutzsystem bekommen, das New Orleans auch vor einem Hurrikan der Kategorie 5, der höchsten auf der Mess-Skala, schützen würde. Man verweist auf die Niederlande, wo nach der verheerenden Jahrhundertflut Ende der 50er Jahre ein ähnliches Großprojekt erfolgreich umgesetzt wurde.

Aber die USA sind nicht die Niederlande und mit dem gleichen Recht wie New Orleans könnten andere Großstädte wie Miami, Tampa oder Houston ähnlich teure Schutzsysteme verlangen. Der Schutz von dicht besiedelten Küstenregionen wird sich aber weltweit problematisch gestalten. New Orleans könnte so zum Testlabor für viele andere Küstengegenden dieser Welt werden.