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Studiogast der Woche: Jan Hagen

Kiron Kreuter20. September 2011

Zu Gast im Studio ist Finanzwissenschaftler Jan Hagen von der European School of Management and Technology.

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DW-TV: Der Finanzwissenschaftler Jan Hagen ist bei mir im Studio, von der European School of Management und Technology in Berlin. Herr Hagen, das klingt alles andere als beruhigend – stecken wir schon mitten in einer Bankenkrise?

Jan Hagen: Wir stecken schon seit einer ganzen Zeit in einer Bankenkrise, denn wir haben eigentlich zwei Krisen. Wir haben die Staatsschuldenkrise, da sind die bekannten Länder Griechenland, Portugal, Irland ganz klar betroffen. Das ist im Fokus. Wir haben aber auch mit einer Bankenkrise zu tun, einfach deshalb, weil die Banken große Mengen von Staatsanleihen von diesen Ländern in ihren Beständen halten. Und natürlich die Unruhe der Märkte und die Abschreibungen, die erforderlich sind, wenn es Kursabschläge gibt, und sich einfach in die Bankbilanzen durchbeißen.

DW-TV: Jetzt kommt Italien noch obendrauf. Was wird diese Herabstufung auslösen für die Schuldenkrise und für die Banken?

Jan Hagen: Zunächst einmal kommt das ja nicht ganz überraschend. Italien ist seit geraumer Zeit unter Beobachtung, wie auch die anderen Länder, so dass man durchaus sagen muss, dass viele Marktteilnehmer sich darauf schon eingestellt haben. Deswegen glaube ich jetzt nicht, dass nach dem neuen Beschluss jetzt dramatische Entwicklungen kommen. Es ist aber natürlich ein weiterer Schritt in die Richtung, dass die Politik jetzt drastischere Maßnahmen ergreifen muss.

DW-TV: Das heißt, wir brauchen ganz entscheidend ein klares Signal. Wie muss das aussehen?

Jan Hagen: Das heißt zunächst einmal, dass man die Realitäten anerkennen muss. Das heißt, dass wir es nicht mit kurzfristigen Liquiditätsproblemen der verschuldeten Länder zu tun haben an den Märkten, sondern hier muss man einfach sagen, dass Griechenland und Portugal wahrscheinlich auch, zunächst überschuldet sind. Das bedeutet, dass Schuldenstände erforderlich sind, die Politik hat es bisher immer negiert und hat gesagt, dass ist nicht erforderlich, Finanzspritzen reichen. So sind die Instrumente angelegt. Ich glaube, hier muss man sehr viel weiter denken und in der Tat wäre eine geordnete Insolvenz Griechenlands, auch wenn es nicht einfach ist, wahrscheinlich der bessere Weg. Und der auch Voraussetzung wäre, damit an den Märkten wieder Zutrauen gefasst wird.

DW-TV: Aber würde Europa das denn tatsächlich verkraften, wenn Griechenland wirklich pleite ginge?

Jan Hagen: Ich gehe mal den anderen Weg und frage, ist der jetzige Weg nachhaltig? Wenn man sich die Verschuldungsquote von Griechenland anguckt und die Aussichten, die Griechenland hat in dem starken Euro, dann würde ich erhebliche Fragezeichen daran machen, ob Griechenland in dem Rahmen überhaupt jemals wieder auf die Spur kommt.

DW-TV: Während wir hier in Europa mit der Krise kämpfen, kann man sagen, dass Länder wie zum Beispiel Brasilien sich schon auf die Überholspur setzen. Ziehen die irgendwann wirtschaftlich gesehen an uns vorbei?

Jan Hagen: Ja, man muss sagen, dass die Rahmenbedingungen in Staaten wie Brasilien eindeutig besser sind. Aber vielleicht ist es auch ganz gut, sich daran zu erinnern, wie es in Lateinamerika vor knapp 20 Jahren aussah. Da war es alles andere als gut. Argentinien hat ähnliche Probleme gehabt wie Griechenland. Argentinien steht noch nicht ganz so gut da wie Brasilien, aber es hat zumindest geschafft, die grundlegenden Probleme durch einen Schuldenschnitt in den Griff zu kriegen. Ich glaube, das wäre das Rezept, was man sich in Europa auch mal ins Gedächtnis zurückrufen sollte.

DW-TV: Vielleicht der drastische Weg, aber dann auch ein Ende mit Schrecken. Herzlichen Dank, Jan Hagen.