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Studieren, wo was los ist

9. November 2009

Keine Studiengebühren, Top Ausstattungen und gute Betreuungsangebote: Ostdeutsche Unis laufen so mancher Hochschule im Westen den Rang ab. Trotzdem haben westdeutsche Schulabgänger Vorbehalte, in den Osten zu gehen.

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Lichtobjekt an der Berliner Mauer (Foto: AP)
In den Köpfen existiert sie immer noch: die Mauer zwischen Ost und West ...Bild: AP

"Ich komme ja vom Land und wollte irgendwohin, wo was los ist". Wie Julia, die im 1. Semester an der Uni Bonn studiert, denken viele Abiturienten, wenn sie auf der Suche nach einem Studienplatz sind. Nur nicht zu weit weg von zu Hause, und wenn schon, dann bitte eine Stadt, in der was los ist. Und wie schaut es mit einem Studienplatz im Osten aus? Auf keinen Fall! Das sagt auch Theologiestudent Marco: "Was bringt mir eine tolle Uni, wenn ich mich dort vier, fünf Jahre langweile." Marco spricht aus, was viele denken und was soeben eine Studie des Centrums für Hochschulentwicklung in Gütersloh bestätigt hat. Während sich an den westdeutschen Unis die Studenten in den Hörsälen drängeln, sind an den ostdeutschen Unis noch Plätze frei. Und das, obwohl in den 1990ern und im neuen Jahrtausend gerade ostdeutsche Universitäten baulich aufwendig renoviert und modernisiert wurden. Auch die Qualität der Lehre und Forschung der ostdeutschen Unis ist auf Westniveau angekommen. Trotzdem möchten dort nur wenige aus dem Westen studieren.

Zum Studieren nach "drüben"?

60 Prozent der westdeutschen Studenten lehnen einen Studienplatz im Osten ab. Der Grund hierfür sind nicht die Hochschulen selbst. Vor allem das Umfeld, die hochschulexternen Faktoren, machen den Studienstandort Ost für Abiturienten unattraktiv. Wer nun denkt, das Bild vom Osten sei geprägt von marschierenden Neonazis, von prügelnden Hooligans oder von Geisterstädten, aus denen die Menschen die Flucht ergreifen, liegt falsch. Das Vorurteil besteht allerdings. Laut Studie verbinden 42 Prozent der Westdeutschen die östlichen Landesteile mit Ausländerfeindlichkeit. Samir, angehender Jurist aus einer Migrantenfamilie hat davor keine Angst: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mit Nazis in einer größeren Stadt wie Berlin oder Dresden mehr Probleme bekommen hätte als hier im Westen. Ich glaube, die Langeweile in einer Kleinstadt wäre das größere Übel geworden."

Studentinnen tanzen bei einer Beachparty in Magdeburg (Foto: dpa)
Von wegen Langeweile: Auch in Magdeburg feiern die Studierenden gern ...Bild: picture-alliance/ ZB

Lieber volle Hörsäle als Langeweile

Es ist genau dieses Image, das ostdeutsche Städte in den Augen junger Menschen unattraktiv macht. Rostock ist nicht Hamburg, Magdeburg nicht Köln und auch Leipzig kann in Punkto Lifestyle nicht mit München konkurrieren. Wer feiern will, bleibt im Westen und geht nicht nach Jena. Aber auch das ist ein Vorurteil. Tanja studiert im 7. Semester und ist zu Beginn ihres Studiums von Frankfurt nach Bonn gezogen, eine Stadt im Westen, die nicht gerade Weltstadtflair versprüht: "Ich bin meinem Freund hinterher gezogen. Hätte ich mir alleine was suchen müssen, dann nur in einer Großstadt, wie Hamburg oder München, damit man auch mal was unternehmen kann." Auch westdeutsche Kleinstädte sind nicht gerade ein Magnet für Studienanfänger. Wer schon einmal in den Universitätsstädten Vechta oder Gießen war, genießt zwar die Natur, beklagt aber auch die Abgeschiedenheit.

Am Wochenende bitte keine Weltreise

Die Partytauglichkeit einer Stadt ist aber nicht der einzige und auch sicherlich nicht der wichtigste Maßstab, der bei der Suche nach der besten Hochschule ausschlaggebend ist.
"Ich bin froh, dass es Bonn geworden ist, damit ich nicht jedes Mal, wenn ich am Wochenende nach Hause fahre, eine Weltreise machen muss", sagt Julia. Judith, ebenfalls im 1. Semester an der Uni Bonn fügt hinzu: "Ich komme aus Bornheim bei Bonn und wollte nicht zu weit weg von meiner Familie und Freunden, daher kamen für mich ersteinmal nur Köln und Bonn in Frage." Das wichtigste Kriterium neben dem Studienfach ist die Entfernung zwischen Heimatort und Universität. Das bestätigt auch die Studie: Je weiter ein ostdeutscher Studienstandort von der westlichen Heimat entfernt ist, desto geringer ist die Bereitschaft dort zu studieren. Nur die wenigsten Studenten suchen sich ohne Grund oder aus Fernweh eine Hochschule in einem anderen Teil Deutschlands. Da helfen auch die besten Werbefeldzüge und Geschenke nicht, mit denen ostdeutsche Hochschulen versuchen, junge Menschen in die neuen Bundesländer zu locken. Das positive an der ganzen Umfrage: Nur die wenigsten gehen nicht in den Osten, weil es der Osten ist.

Autor: Benjamin Beltz
Redaktion: Gaby Reucher