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Studiengebühren kein Tabuthema mehr

Antje Allroggen12. November 2004

Sie waren in Deutschland lange undenkbar: Studiengebühren. Dadurch sollte jedem den Zugang zu einem Studium möglich sein. Nun wird der Ruf nach allgemeinen Studiengebühren immer lauter.

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Zahlen fürs Lernen: <br>Ein umstrittenes ThemaBild: AP

Einzelne Bundesländer wollen zukünftig Geld für ein Studium erheben. Noch werden sie daran gehindert, weil der Bund dies grundsätzlich per Gesetz verbietet. Dieses Verbot könnte aber kippen. Vor einiger Zeit sind sechs Bundsländer vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, um gegen dieses Verbot zu klagen. Am Dienstag (9.11.) gab es eine Anhörung vor dem BVG, die Politikern und Studierenden noch einmal die Gelegenheit gab, ihre Position in Sachen Studiengebühren deutlich zu machen.

Bezahlstudium nicht sozialverträglich?

Studiengebühren für das Erststudium - ja oder nein? Bei dieser Frage geht es um eine hohe Summe: Die Einführung des Bezahlstudiums würde für jeden einzelnen Studierenden eine jährliche Mehrbelastung von 1000 Euro bedeuten. Nun streiten sich Politiker unterschiedlicher Couleur darüber, ob diese Summe noch ein chancengerechtes Studium garantiere. Seit den 1960er Jahren hatte man sich für ein sozialverträgliches Studium eingesetzt, das möglichst vielen den Zugang zum Studium ermöglichen sollte. Geht es nun nach der SPD-Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, sollte es auch weiterhin keine Studiengebühren geben. "Meine große Sorge ist, dass damit die Chancengleichheit erheblich erschwert wird und wir wieder einen deutlichen Rückschlag erhalten."

Auch die Gewerkschaften sprechen sich grundsätzlich gegen Studiengebühren aus, weil sie befürchten, dass dadurch keine gleichwertigen Bedingungen mehr möglich seien und ein Studium so zu einem reinen Luxusgut werden könne. Dass ein Bezahlstudium nicht sozialverträglich sei, so sagen sie, zeige das Beispiel Nordrhein-Westfalen, wo seit kurzem Gebühren für Langzeitstudierende fällig sind. Damit sei die Zahl der Studierenden insgesamt bereits drastisch gesunken.

Erweiterung des Stipendienangebots

Die Befürworter von Studiengebühren verweisen hingegen darauf, dass ein Studium etwas kosten solle, damit es auch etwas wert sei. So sieht es auch Bildungsforscher Paul Nolte, Professor für Geschichte an der International University in Bremen: "Da kann man sagen, dass in vielerlei Hinsicht die Finanzierungspyramide unseres Bildungssystems auf dem Kopf steht. (…) Umgekehrt, so sagen jetzt viele, und ich glaube aus gutem Grund, müsste es sein."

Ähnlich sehen es die unionsgeführten Länder, inzwischen aber auch schon einige SPD- oder auch Grünen-Politiker. Studiengebühren, so sagen sie, würden es den Hochschulen ermöglichen, ihr wissenschaftliches Angebot zu verbessern, und das sei hinsichtlich des stärker werdenden internationales Wettbewerbs dringend nötig. Damit Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten ein Studium weiterhin ermöglicht wird, sollen die Studiengebühren sozialverträglich gestaltet werden. Denkbar wäre etwa, das Angebot für Stipendien zu erweitern. Wenn Studiengebühren nicht mehr zu verhindern seien, meint Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, müsse wenigstens für ein geeignetes Stipendienmodell gesorgt werden.

Wer hat das Sagen: Bund oder Länder?

Die Privatuniversität Witten-Herdecke erhebt schon seit längerer Zeit Studiengebühren, weil die finanziellen Zuschüsse, die die Hochschule noch aus staatlicher Hand bekommt, immer weiter heruntergefahren worden sind. In Witten-Herdecke wird seitdem das so genannte nachlaufende Modell der Studiengebühren praktiziert. Das heißt: Die Studierenden bekommen ein Darlehen, das sie erst zurückzahlen müssen, wenn sie ihr Studium beendet und einen Beruf ergriffen haben. Pro Semester sind das etwa 250 Euro plus eventuell anfallende Materialkosten.

Studiengebühren ja oder nein? Erst im kommenden Jahr wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hierzu erwartet. Die Entscheidung wird auch insofern wichtig sein, als es dabei nicht nur um die Studiengebühren geht, sondern auch darum, wer in Sachen Bildung zukünftig das Sagen haben wird: der Bund oder die Länder.