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Gesellschaft

Die Daten: Vertrauen in Medien konstant

Uta Steinwehr
13. Januar 2017

Aktuellen Debatten zufolge könnte man denken, niemand vertraue mehr den Medien. Wissenschaftliche Erhebungen zeigen dagegen: So schlecht ist es um das Medien-Vertrauen gar nicht bestellt. Die Zahlen für 2016 überraschen.

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Plakat mit dem Wort Lügenpresse (Foto: Picture Alliance)
Lügenpresse - bei der fremdenfeindlichen "Pegida"-Bewegung permanent präsentes Unwort des Jahres 2014 (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa/D.Naupold

"Die langfristig erhobenen Daten bestätigen nicht die Wahrnehmung, dass das Vertrauen in die Medien in den vergangenen zwei, drei Jahren schlechter geworden ist", sagt Bernd Blöbaum, Professor für Medientheorie und Medienpraxis an der Universität Münster. Es ist also nur eine gefühlte Wahrheit.

Nach Ansicht des Kommunikations-Wissenschaftlers, der auch Sprecher des Graduiertenkollegs "Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt" ist, gibt es einen Auslöser für diese weit verbreitete Annahme - der Begriff "Lügenpresse". "Der Begriff macht in Deutschland seit zwei Jahren Karriere und hat die Frage des Vertrauens in etablierte, aktuelle Massenmedien auf die Agenda gehoben", sagt Blöbaum. Seitdem gebe es darüber eine intensivere öffentliche Debatte.

Europäische Kommission befragt regelmäßig

Die​​​​​​ ​Daten des Eurobarometerbestätigen weitgehend Blöbaums Einschätzung zum konstanten Vertrauen. Die Europäische Kommission erhebt Daten, wie es um das Vertrauen der EU-Bürger in die Medien bestellt ist. Bis zurück ins Jahr 2000 schlüsselt die Kommission das Ergebnis nach Ländern auf.

Die Fragestellung ist immer gleich und lautet: "Ich möchte nun gerne von Ihnen wissen, wie viel Vertrauen Sie in bestimmte Medien haben. Sagen Sie mir bitte für die folgenden Medien, ob Sie diesen eher vertrauen oder eher nicht vertrauen. Wie ist es mit… ?" Es folgt eine Aufgliederung in Radio, Fernsehen und Printmedien. Seit 2006 kommen auch das Internet und seit 2014 die sozialen Netzwerke hinzu.

Infografik Vertrauen in die Medien 2000-2016 in Deutschland (Grafik: DW)

Das Jahr 2000 war ein Negativjahr für die Medien. Die Daten zeigen, dass das Vertrauen danach relativ konstant geblieben ist. Tendenzen nach unten und oben wechseln sich ab; die Schwankungen betreffen aber nicht alle Mediengattungen in gleicher Weise. In der Regel liegt der Unterschied zwischen zwei Jahren bei nicht mehr als vier Prozentpunkten Unterschied.

Lediglich 2015 haben deutlich weniger Menschen angegeben, den Medien eher zu vertrauen - das gilt aber spürbar nur fürs Radio (von 67 auf 60 Prozent) und Fernsehen (von 60 auf 55 Prozent).

2016: Höchstes Vertrauen in die Medien

Deutlicher ist dagegen die Entwicklung im vergangenen Jahr. Was viele überraschen mag: 2016 haben mehr Deutsche den Medien vertraut. In der verfügbaren Datenreihe gehören diese Angaben für alle Medientypen zu den höchsten Werten oder sind sogar Spitzenwert. Ausnahme sind die sozialen Netzwerke, das Vertrauen der Deutschen sank hier weiterhin. Printmedien konnten sogar zehn Prozentpunkte zulegen von 46 auf 56 Prozent "vertraue eher"-Antworten. Eine Erklärung für diesen Anstieg liefert der Eurobarometer noch nicht, da bisher nur die reinen Daten veröffentlicht sind.

Infografik Vertrauen in die Medien in Deutschland 2016 (Grafik: DW)

Neben den Antwortmöglichkeiten "vertraue eher" und "vertraue eher nicht", konnten die Befragten auch "weiß nicht" angeben. Abgesehen vom Jahr 2000 liegt der Prozentsatz der Unsicheren bei Radio, Fernsehen und Print kontinuierlich zwischen drei bis neun Prozent. Bis auf wenige Ausnahmen schwankt es von Jahr zu Jahr um nie mehr als zwei Prozentpunkte.

Unsicherheit und Misstrauen in Netzmedien

Bezogen aufs Netz sind sich die Befragten dagegen deutlicher unsicherer, welche Meinung sie haben sollen. Über viele Jahre gab etwa jeder Vierte bis fast jeder Dritte an, dem Internet weder zu vertrauen noch ihm nicht zu vertrauen. Bis 2016 sank der Anteil auf 17 Prozent. Dafür wuchs das Misstrauen der Deutschen ins Internet: von 42 Prozent im Jahr 2006 auf 51 Prozent im vergangenen Jahr.

Bernd Blöbaum Uni Münster (Foto: IfK/WWU Münster)
Professor Bernd BlöbaumBild: IfK/WWU Münster

Bei sozialen Netzwerken war sich in den vergangenen drei Jahren durchschnittlich jeder Vierte unsicher, ob er ihnen vertrauen soll. Auch hier stieg das Misstrauen von 58 auf 63 Prozent. Ungefähr drei von fünf Deutschen vertrauen Facebook, Twitter und Co. also eher nicht.

Medien-Skepsis hat mit Wahrnehmung zu tun

Warum Einige den Medien nicht vertrauen, untersuchen die Wissenschaftler in Münster. Sie haben Menschen befragt, was der Grund für ihre Skepsis ist. Bernd Blöbaum sagt, es gebe ein breites Spektrum an Antworten: "Das reicht vom aufrechten Fußball-Anhänger, der sich durch die Berichterstattung als Hooligan diffamiert fühlt bis hin zum Bürger, der sauer auf die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ist."

Etwas generalisiert nehmen einige Menschen die Medien als Teil des Establishments, der Spitze der Gesellschaft, wahr. Sie vertrauen also der medialen Berichterstattung nicht mehr unbedingt, weil sie generell dem Establishment gegenüber kritisch eingestellt sind. "Die Medien gelten für einige Leute als verlängerter Arm oder Verlautbarungsorgan der Politik. Wenn man dann mit politischen Entscheidungen nicht einverstanden ist, weitet sich die Skepsis sehr schnell auch auf die Medien aus", befindet der Kommunikationswissenschaftler.

Einen Grund, warum Menschen Fake News Glauben schenken, sieht Blöbaum darin, dass die Welt für viele unübersichtlicher geworden ist. "Viele Menschen sind sich unsicher, auch was ihre Zukunft angeht. In dieser Gemengelage wächst, so sagen Psychologen, ganz allgemein die Bereitschaft, extreme Haltungen einzunehmen." Soziale Unsicherheit - und sei sie nur empfunden- ist also ein fruchtbares Umfeld für falsche Nachrichten.