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Studentenleben in Sofia

Simone Böcker7. September 2008

In Sofia gibt es ein Viertel nur für Studenten. Die Plattenbauten in Studentski Grad sind nicht luxuriös, bieten aber Unterkunft und Unterhaltung. Rund um die Uhr haben die unzähligen Cafés, Clubs und Kneipen geöffnet.

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Tänzer in einer Disco (Foto: AP)
Heiße Nächte auf der TanzflächeBild: AP

Zwischen den heruntergekommenen Wohnblöcken stolzieren modisch gekleidete Menschen mit großen Sonnenbrillen über die mit Müll übersäten Grünflächen. Aus den Straßencafés tönt die Musik, an den Tischen in der Sonne trinken die Jugendlichen Kaffee und telefonieren mit den neusten Handys. Die Studenten sind von ihrem Szeneviertel begeistert. "Es gibt nirgendwo einen Ort in Bulgarien, wo man so viele junge Menschen treffen kann", sagt die Germanistikstudentin Polina. Dieser Ort sei einmalig, denn man könne sehr spontan Menschen kennen lernen, was sonst im Stadtzentrum der bulgarischen Hauptstadt sehr schwierig sei.

Die Nacht wird zum Tag

Plattenbau in Sofia (Foto: Roumiana Taslakowa)
30.000 Studenten leben in Studentski GradBild: DW

Ein ganzer Stadtteil ist auf die Bedürfnisse junger Leute zugeschnitten. Überall sind Kioske, unzählige Imbissbuden und Waschsalons in kleinen Hütten zwischen den Blocks untergebracht. Polina erzählt, dass sie einkaufen gehen könne, wann immer sie wolle, ohne Angst haben zu müssen. Schließlich seien auch nachts um vier noch Menschen auf den beleuchteten Straßen. Das passe einfach zu ihrem Leben.

Am Eingang jedes Block sitzt eine Pförtnerin hinter einem Fenster. Hier müssen sich auch Fremde anmelden, denn Einlass gibt es nur mit Chipkarte. Die beiden Informatikstudenten Anton und Stefan sind relativ neu hier. Seit neun Monaten wohnen sie im fünften Stock des Blocks 54. Auf zwölf Quadratmetern sind drei Betten, drei Schreibtische, ein Regal und ein Schrank zusammengepfercht. Die Möbel sind schäbig, der Teppich verschlissen, die Tapete hat Risse und das Interieur verströmt noch den Charme sozialistischer Vergangenheit.

Privatsphäre als Luxusgut

Hier seien oft vier bis fünf Menschen in einem Zimmer, erzählt Stefan. Ein Mitbewohner lebe gerade mit seiner Freundin dort und ehemalige Mitschüler kämen oft zu Besuch. Dies sei für ihn aber kein Problem, sondern es sei angenehm, Leute um sich zu haben. Privatsphäre ist ein Luxus in Studentski Grad, aber nicht alle nehmen es so leicht wie Anton und Stefan. Die Miete ist mit 40 Euro im Monat jedoch unschlagbar billig – auch in Bulgarien.

Petja ist gerade bei den beiden Studenten zu Besuch. Sie wohnt bereits seit vier Jahren hier und gehört zu den alten Hasen. Sie empfindet das Leben im Block als gleichzeitig sehr dynamisch und chaotisch, weil nicht alles nach Plan läuft. Es seien immer andere da, die kommen und gehen. Man lerne aber mit der Zeit, dass man manchmal unfreundlich und ungesellig wirken müsse, um seine Ruhe zu haben.

Die Ruhe vor dem Sturm

Studentski Grad wird immer mehr zu Sofias Vergnügungsviertel. Die Zahl der Diskos und Klubs steigt ständig. Sie heißen "Infinity" oder "Jimmy Beam", und ihre Musik lässt die umliegenden Wohnblöcke erzittern. Partys gehören zu Studentski Grad wie der Joghurt zu Bulgarien. Sie locken auch immer mehr Leute aus dem Zentrum an, denn es gibt viele Kneipen und günstigere Preise.
Nur in der Sesia, den Prüfungswochen am Ende des Semesters, ist es ruhiger. Dann steht Lernen auf dem Stundenplan. Denn nur, wer den entsprechenden Notendurchschnitt hat, darf sein Zimmer auch im nächsten Jahr behalten.