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Studentenproteste gegen Uni-Willkür

Benjamin Bidder3. April 2007

In Moskau gehen Studenten demonstrierend auf die Straße. Doch sie haben keinerlei politische Forderungen: Die Studenten haben schlicht die Willkür der Universitätsverwaltungen satt.

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"Tag der offenen Tür" an der soziologischen Fakultät der Staatlichen Moskauer Universität (MGU). Abiturienten und Eltern wollen die Gelegenheit nutzen, um sich selbst einen Eindruck von der Einrichtung zu machen, die als eine der Führenden in Russland gilt.

Doch vor dem Fakultätseingang, im Schatten des mächtigen Hauptgebäudes der Moskauer Lomonossov-Universität, haben sich rund 40 demonstrierende Studenten der Fakultät versammelt. Sie verteilen Flugblätter an verdutzte Besucher, darauf steht "Herzlich Willkommen zum Tag der Deppen" oder "Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen". Denn nach Meinung der Demonstranten ist die Fakultät schon lange nicht mehr eine der Besten des Landes.

Anti-westliche Propaganda

"In den vergangenen Jahren sind rund 20 international renommierte Wissenschaftler von der Fakultät ausgeschlossen worden, dass Niveau der Lehre sinkt beständig", erklärt Natalija, eine der protestierenden Studenten. Vor allem wegen des Verhaltens des Dekans verschlechterten sich die Studienbedingungen zusehends. So blockiere der Leiter der Fakultät den Austausch und die Kooperation mit ausländischen Universitäten und lade als Gastwissenschaftler ausschließlich ihm genehme Soziologen an die MGU ein. Außerdem verbreite er an der Fakultät nationalistische und anti-westliche Propaganda, so die Vorwürfe der Studenten.

Den Auslöser der Proteste, die nun schon seit Monaten andauern, bildete derweil ein recht profaner Grund: Die horrenden Preise in der Fakultätscafeteria. Ein vollwertiges Mittagessen kostete nach Aussage der Studenten 300 Rubel, umgerechnet 8,50 Euro, eine Tasse Tee 70 Rubel - knapp das Zehnfache der Preise vergleichbarer Uni-Mensen in Russland. Eigentümer der Cafeteria: Der Sohn des Dekans.

Veruntreute Gelder

Mit ihren Protesten stehen die Studenten der soziologischen Fakultät derweil in der russischen Hauptstadt nicht allein. Im Februar blockierten Studenten der pädagogischen Fakultät eine Moskauer Hauptverkehrsstraße. Mit Transparenten und bengalischen Feuern demonstrierten sie gegen den Leiter ihres Studentenwohnheims: Sie werfen ihm vor, Geld veruntreut zu haben, das für die Renovierung des Heims vorgesehen war.

Studenten der Technischen Moskauer Universität wehrten sich gar Jahre lang gegen ihre Wohnheimsverwaltung, die, statt sich um die Belange der Studenten zu kümmern, einen Teil des Wohnheims an einem Unternehmer verpachtet hat, der dort eine Sauna und einen Nachtclub betreibt.

Eine bezahlbare Tasse Tee

Nicht immer verlaufen die Aktionen der Studenten so friedlich wie am "Tag der offenen Tür" der soziologischen Fakultät: Mehrere Protestaktionen wurden von der Miliz aufgelöst, einige der Teilnehmer verhaftet. Den Aufmüpfigen drohte der Dekan mit dem Ausschluss vom Studium. Er beschuldigt sie, politische Extremisten zu sein. Die Studenten konterten mit einem Hilferuf an ausländische Universitäten - und erregten so die Aufmerksamkeit westlicher Medien. So berichtete die New York Times im März über die Studentenbewegung.

Das Engagement der Studenten zeigt inzwischen erste Erfolge: Der Rektor der Staatlichen Moskauer Universität hat eine Untersuchung der Vorwürfe gegen den Dekan angeordnet. Und die überteuerte Cafeteria wurde bereits geschlossen, an ihrer Stelle hat ein neues Studentencafe eröffnet - mit bezahlbaren Preisen, auch für eine Tasse Tee.