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Strippenzieher im Hintergrund

24. Juni 2009

Der eigentliche Machtkampf im Iran findet hinter den Kulissen statt: Haschemi Rafsandschani steht dem einzigen Gremium vor, das den Religiösen Führer Ali Chamenei entlassen kann, dem so genannten Expertenrat.

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Ali Akbar Haschemi Rafsandschani (Foto: dpa)
Seit 30 Jahren im innersten Zirkel der Macht: Haschemi RafsandschaniBild: dpa

Haschemi Rafsandschani ist ein politischer Überlebenskünstler. Seit den ersten Tagen der iranischen Republik Iran, seit 30 Jahren also, ist er im innersten Zirkel der Macht fest verankert. Der pragmatische Expräsident gilt außerdem als reichster Mann des Landes. Im theokratischen System des Iran hat Rafsandschani heute zwei Ämter inne. Zum einen sitzt er dem Schlichtungsrat vor. Dieses Gremium vermittelt zwischen Parlament, Regierung und Wächterrat. Vor allem aber leitet er den so genannten Expertenrat. Und der alleine hat die Macht, den religiösen Führer abzusetzen, Ayatollah Chamenei. Seit den Wahlen aber hält sich Rafsandschani auffallend zurück. Weder ist er öffentlich aufgetreten noch hat er sich öffentlich geäußert. Der iranische Reformer Ahmad Ghabel hatte bereits vor vier Jahren Chamenei in einem offenen Brief kritisiert. Anschließend saß er im Gefängnis. "Die Regierung beobachte sehr genau, was Rafsandschani sagt und tut", glaubt er. "Bis jetzt hat er geschwiegen. Meiner Meinung nach wartet er ab, um zu sehen, wie sich die Situation weiter entwickelt." Ghabel hält es aber durchaus für wahrscheinlich, dass Rafsandschani wenn nötig direkt mit Ayatollah Chamenei oder anderen Leuten an der Spitze Kontakt aufnimmt und verhandelt.

Wasser auf die Mühlen der Gegner Ahmadinedschads

die iranische Stadt Qom (Foto:ap)
Zentrum des Expertenrats: die Stadt QomBild: AP

Nach der Wahl soll sich Rafsandschani vor allem in der heiligen Stadt Qom aufgehalten haben. Hier leben die meisten der 86 Mitglieder des Expertenrates, allesamt hohe schiitische Geistliche. Und viele Geistliche haben sich von Präsident Ahmadinedschad abgewandt. Großayatollah Jussuf Sanei etwa soll am Sonntag erklärt haben, er werde eine Regierung, die sich auf Lügen stützt, nicht akzeptieren. Im schiitischen Islam ist die Auflehnung gegen Ungerechtigkeit und damit gegen ungerechte Herrschaft die Pflicht eines jeden Gläubigen – erst Recht also jedes Geistlichen. Da ist es Wasser auf die Mühlen der Ahmadinedschad-Gegner, dass der Wächterrat zugeben musste, bei den umstrittenen Wahlen seien in 50 iranischen Städten mehr Stimmen abgegeben worden, als Wähler registriert waren. Da sich der Revolutionsführer so eindeutig hinter Ahmadinedschad gestellt hat, trifft der Vorwurf der Ungerechtigkeit auch ihn. Deshalb geht der iranische Exilpolitiker Mehran Barati davon aus, dass Rafsandschani seine Zeit in Qom nutzt, um Stimmen im Expertenrat gegen Chamenei zu sammeln. "Das Expertenparlament braucht eine drei-viertel Mehrheit, um Chamenei abzusetzen. 40 Abgeordnete sind schon da. Herr Rafsandschani braucht noch 25 Stimmen." Dass diese Stimmen in den nächsten Wochen zusammenkommen, hält Barati durchaus für möglich.

Keine Einigkeit im Expertenrat

Tatsächlich hat Chamenei ein massives Imageproblem. Als religiöser Führer sollte er eigentlich unparteiisch über den verschiedenen Parteien stehen. Stattdessen hat er direkt in die Politik eingegriffen – indem er sich klar auf die Seite Ahmadinedschads stellte. Der Fernsehsender Al-Arabiya berichtete unter Berufung auf eine hochrangige Quelle in Qom, bereits jetzt gebe es eine Mehrheit für eine Absetzung Chameneis. Aber es gebe im Expertenrat keine Einigkeit, ob das Amt des Religiösen Führers erhalten bleiben oder durch einen dreiköpfigen religiösen Rat ersetzt werden soll – eine Idee Rafsandschanis. Der iranische Reformer Ghabel steht dieser Idee allerdings eher skeptisch gegenüber. „Vergessen Sie nicht, die Mitglieder des Expertenrats wurden vor ihrer Kandidatur von dem Wächterrat sehr genau geprüft." Sie würden es nie wagen, etwas gegen den Religiösen Führer zu tun, glaubt er. "Die Regierung geht mit großer Brutalität gegen die Demonstranten vor, was kann man da von ein paar alten Männern erwarten.“

Autor: Matthias von Hein

Redaktion: Sarah Mersch