1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Stress ist sein Leben

Kirstin Hausen3. Februar 2009

Burn-Out-Syndrom - nicht bei dem 30-jährigen Banker Oliver Meier. 12-Stunden Arbeitszeit täglich kommen ihm kurz vor. Er liebt seinen Beruf und der Stress, den er mit sich bringt, macht ihm nichts aus.

https://p.dw.com/p/GmIV
Banker Oliver Meier beim Telefonieren (DW/Kirstin H ausen)
Der Banker Oliver Meier in seinem Element: mitten bei der ArbeitBild: Kirstin Hausen

Die Schweizer Bank BSI in Genf, Abteilung internationale Privatkunden. Dritter Stock, Großraumbüro: Das Telefon klingelt unermüdlich. „Bom dia“, begrüßt Oliver Meier seine Kunden. Sie kommen aus Brasilien, Mexiko, Panama und Venezuela, Meier hilft ihnen ihr Vermögen zu vermehren. Seit der Finanzkrise gilt aber vor allem, nichts zu verlieren und das Kapital zu schützen „Das Schlimme ist, dass man keine Zeit hat zu reagieren, der Markt ist einfach verdammt schnell“, so der 30-jährige Schweizer.

Er lockert seine Krawatte einen Fingerbreit. Er trägt einen eleganten Anzug, ein blitzsauberes Hemd, glänzend polierte Schuhe: seine Kleidung ist perfekt. Oliver Meier sieht gut aus, vielleicht etwas blass um die Nase. In Zeiten der Finanzkrise nicht verwunderlich: „Man macht sich viele Sorgen, wir sehen, was passiert und sehen auch die Konsequenzen, das ganze ist sehr beunruhigend und das Schlimmste daran: Man sieht noch nicht das Licht am Ende des Tunnels.“

Jobwechsel nicht vorstellbar

Banker Oliver Meier vor dem Espressomautomaten (DW/ Kirstin Hausen)
Kleine Pausen sind durchaus mal möglichBild: Kirstin Hausen

Also heißt es: Zähne zusammenbeißen und durch - auch wenn die Zeiten ungemütlich sind. Ein Jobwechsel kommt für Oliver Meier nicht in Frage. Er ist eher der „Jetzt-erst-recht-Typ“. Ein Macher. Sein Mathematikstudium in Sankt Gallen hat er in Rekordzeit beendet, noch einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften draufgesetzt und dann kam er zur Bank. Seit sechs Jahren ist er jetzt dabei und weiß genau was er zu tun hat, auch wenn kein Tag wie der andere ist: „Jeder Tag hat immer seine zwei, drei Ereignisse, die dann alles ändern und auf den Kopf stellen. Um vier, fünf Uhr sag ich mir: Okay, jetzt habe ich immer noch diese sechs Prioritäten auf dem Zettel, und die muss ich dann auch noch fertig machen.“

Nach Hause geht es meist nicht vor sieben oder acht Uhr am Abend, öfter auch später. Von seiner schicken Wohnung in zentraler Lage hat er nicht viel. Wirklich Feierabend hat Oliver Meier eigentlich nie, er könne auch genau so gut durcharbeiten, sagt Meier. Was er auch schon getan hat, als Analyst und in der Beratung: „Da habe ich im Durchschnitt 16 Stunden gearbeitet. Jetzt sind es etwa 12 Stunden, das ist für andere viel, für mich ist das aber normal. „Ich liebe was ich heute mache“, sagt der Banker. Er arbeite gerne und etwas Anderes sei für den 30-Jährigen nicht vorstellbar.

Der Verlauf des Deutschen Aktienindex DAX ist am Montag, 15. September 2008, an der Boerse in Frankfurt am Main zu sehen, nachdem der DAX unter 6000 Punkte fiel.
Die Börse ist Oliver Meiers LeidenschaftBild: AP

Rendite als Wohlfühlfaktor

Das Geld, sei es nicht allein. Unter 10.000 Euro monatlich fängt man in der Branche gar nicht erst an. Oliver Meier geht in seiner Arbeit auf. Ungesund findet er so viele Arbeitsstunden nicht, die Finanzmärkte sind seine Leidenschaft: „Ich vergleiche die Finanzmärkte immer mit dem Ozean. Man kann gut mitsegeln, mitschwimmen, aber man muss den Ozean immer respektieren, so ist es auch mit den Finanzmärkten. Aber das ist natürlich keine Arbeit für jeden“, so der Schweizer Banker. Für ihn ist es das Richtige: Ihn fasziniere einerseits der Menschenkontakt andererseits die Kreativität: „Man ist konstant auf der Suche nach neuen Investitionen. Man will der erste sein, der einsteigt und wenn man dann eine positive Rendite rauszieht, ist das sehr schön“, schwärmt Meier.

Die Rendite ist sein Wohlfühlfaktor. Je erfolgreicher sein Tag, desto besser fühlt er sich am Feierabend. Zeit für Freunde gibt es unter der Woche nicht. Mehr als eine Runde Joggen am Genfer See ist meist auch nicht drin. Trotzdem fühlt sich Oliver Meier nicht vom Job aufgefressen oder sogar ausgebrannt. Burn-Out? Er winkt ab: „Ohne Gleichgewicht läuft nichts. Über Jahre hinweg muss ich einen Ausgleich haben, da brauche ich ein Hobby.“

Immer erreichbar – auch am Wochenende

Entspannen für den Job - das tut Oliver Meier an den Wochenenden. Dann treibt er Sport, geht aus. Sein Handy hat er aber immer dabei. Falls die Bank ihn braucht. Es gibt ihm ein gutes Gefühl unverzichtbar zu sein. Den Job einfach an den Nagel hängen, ist für ihn unvorstellbar. Oliver Meier ist und bleibt Banker. In guten wie in schlechten Zeiten.