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Streitthema Kampfdrohne

Sven Pöhle/Jeanette Seiffert30. Juni 2014

Braucht die Bundeswehr bewaffnete Drohnen? Das Thema ist höchst umstritten. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich in der Frage bislang nicht festgelegt. Das könnte sich nun ändern.

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Eine Drohne vom Typ Heron steht am 02.10.2013 im Feldlager der Bundeswehr in Masar-i-Scharif in Afghanistan nach ihrer Rückkehr von einem Aufklärungsflug im Hangar. Foto: Michael Kappeler/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Sie heißen Heron, Mikado, Aladin, KZO oder Luna: Rund 600 Drohnen verschiedenen Typs umfasst die Flotte der Bundeswehr. Die ferngesteuerten unbemannten Luftfahrzeuge (Unmanned Aerial Vehicle, UAV) sind allesamt unbewaffnet. Sie werden zu Aufklärungszwecken eingesetzt. Bewaffnete Drohnen hat die Bundeswehr nicht in ihrem Repertoire. Noch nicht.

Über den Kauf bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr wird schon länger diskutiert. Bevor man darüber entscheide, sei eine breite gesellschaftliche Debatte nötig, erklärte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) noch im Mai: "Diese gesellschaftliche Debatte wird im Parlament in diesem Sommer stattfinden."

Jetzt bahnt sich eine Entscheidung an: Am Montag (30.06.2014) fand dazu eine öffentliche Anhörung im Verteidigungsausschuss statt. Experten äußerten sich zu völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen im Zusammenhang mit bewaffneten Drohnen. Auf dieser Grundlage wolle sich die Verteidigungsministerin ihre Meinung bilden und in den kommenden Tagen im Bundestag präsentieren, so ein Ministeriumssprecher. Einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge existiert bereits ein internes Papier des Verteidigungsministeriums, in dem von der Leyen für die Einführung bewaffneter Drohnen plädiert. Offiziell bestätigt wurde das zwar nicht: Doch auch der "Spiegel" will Informationen darüber haben, dass sich die Verteidigungsministerin im Bundestag offen für die Anschaffung von Kampfdrohnen aussprechen wird.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht sich am 15.05.2014 im Feldlager Novo Selo im Kosovo bei den Soldaten des Kfor-Einsatzbatallions eine Mikado-Aufklärungsdrohne an. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Heikle Diskussion? Ursula von der Leyen hat sich in der Drohnen-Debatte bislang zurückgehaltenBild: picture-alliance/dpa

Unterstützung für diesen Kurs erhält von der Leyen von CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn: Er erwarte von der Ministerin, dass sie "sich klar für eine europäische Entwicklung einer bewaffnungsfähigen Drohne einsetzt", sagte er dem Spiegel. Scharfe Kritik kam dagegen von den Grünen: Man halte Kampfdrohnen für "ethisch wie völkerrechtlich hochproblematisch", so Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt in der "Bild am Sonntag".

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV) André Wüstner spricht sich ebenso wie der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus und Luftwaffen-Inspekteur Karl Müllner dafür aus, die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen auszurüsten. "Wir brauchen bewaffnete Drohnen, weil sie in bestimmten Szenarien unverzichtbar für den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten sind", teilte Wüstner auf Anfrage der DW mit.

Höchst umstrittenes Thema

Während sich von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) offen für die Beschaffung bewaffneter Drohnen ausgesprochen hatte, hat die Ministerin sich in dieser Sache bislang zurückgehalten. Politisch lässt sich damit kaum punkten. Dabei spielen die Probleme um die unbewaffnete Aufklärungsdrohne 'Euro Hawk', die de Maizière vor gut einem Jahr fast den Posten gekostet hätten, ebenso eine Rolle wie die völkerrechtlich fragwürdigen Einsätze bewaffneter Drohnen durch den US-Geheimdienst CIA im Jemen, in Somalia oder im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Schätzungen zufolge sollen bei US-Drohnenangriffen mehr als 3000 Menschen getötet worden sein - darunter auch Zivilisten. Der politische Begriff "Kampfdrohne" ist emotional aufgeladen. Viele Bürger halten bewaffnete Drohnen für lautlose Killer.

Drohnen-Gegner befürchten, dass der Besitz bewaffneter Drohnen die Hemmschwelle für ihren Einsatz verringere. Der Verlust von Material unterliegt gerade in demokratischen Staaten nicht dem gleichen Legitimationsdruck wie der Verlust von Soldatenleben. Hinzu kommt die Sorge, dass vollautonome Drohnen irgendwann selbstständig über Leben oder Tod entscheiden könnten: Bereits jetzt können UAVs eigenständig starten und landen und anhand ihrer Programmierung eine bestimmte Strecke ohne menschliches Einwirken fliegen.

Ostermarsch in Berlin. Foto: dpa.
Kampfdrohne als Schreckensszenario: Anti-Drohnen-Demo in BerlinBild: picture-alliance/dpa

"Zukünftige Systeme sollen immer mehr Aufgaben selbstständig übernehmen, wo der Mensch gar nicht mehr eingreifen soll und muss, um eben eine immer stärkere Leistungsfähigkeit zu haben", sagt Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Er befürchtet einen Rüstungswettlauf hin zu immer intelligenteren und autonomeren Systemen. "Wir sehen, dass momentan weltweit kein Staat mehr ein modernes bemanntes Kampfflugzeug entwickelt. Das heißt für mich andererseits, dass in den Köpfen der Industrie-Vertreter, aber auch der Militärs die Kampfdrohne, die selbstständig über den Waffeneinsatz entscheidet, schon verankert ist."

Ministerium prüft Angebot für "bewaffnungsfähige" Drohne

Das Bundesverteidigungsministerium prüft derzeit ein US-amerikanisches Angebot für drei unbewaffnete Drohnen vom Typ "Predator B" vom Sommer 2013. Diese könnten zumindest nachträglich bewaffnet werden.

In der Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und Jan van Aken von der Linkspartei heißt es dazu, dass für die zu beschaffende Langstreckendrohne "konzeptionell eine Bewaffnungsfähigkeit gefordert" sei. "Die Bevölkerung wird bewusst in die Irre geführt, wenn die Bewaffnungsfähigkeit einer militärischen Langstreckendrohne von vorneherein festgeschrieben wird", kritisiert Hunko in einer Pressemitteilung. Die öffentliche Anhörung im Verteidigungsausschuss hält er daher für eine "Alibi-Veranstaltung".

Eine US-Drohne vom Typ MQ-9 Reaper im Landeanflug (Foto: Ethan Miller/Getty Images)
US-Drohne MQ-9 Reaper: Will die Ministerin im Drohnenkrieg mitmischen?Bild: Getty Images

Niklas Schörnig erwartet von der Bundesregierung, dass sie sich zumindest dahingehend äußert, in welchen Szenarien sie sich einen Einsatz bewaffneter Drohnen vorstellen könne. Falls man sich für die Beschaffung entscheiden sollte, müssten gleichzeitig die politischen Rahmenbedingungen für den Einsatz festgelegt werden: "Man müsste meiner Meinung nach politisch einen sehr starken Zaun bauen. Dazu gehört, die deutschen Einsatzregularien ganz klar und restriktiv zu verfassen und sich dafür stark zu machen, dass auch andere Staaten dieser Praxis folgen", so Schörnig. Dazu gehöre auch, "die Weiterverbreitung von Drohnen und vor allem von bewaffneten Drohnen auf internationaler Ebene mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einzuhegen und sich schließlich ganz aktiv für ein Autonomieverbot einzusetzen."

Mit einer konkreten Entscheidung über die Beschaffung ist ohnehin erst dann zu rechnen, wenn die Posten von Rüstungsstaatssekretär Stéphane Beemelmans und Rüstungsabteilungsleiter Detlef Selhausen neu besetzt sind. Beide hatte von der Leyen im Frühjahr ihrer Posten enthoben - wegen Problemen bei Rüstungsprojekten.