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Welches Herkunftsland ist sicher?

9. August 2015

Es könnte so einfach sein. Einfach die Balkanstaaten, aus denen ein Großteil Flüchtlinge nach Deutschland kommt, zu sicheren Herkunftsländern erklären - und die Menschen müssen zurück. Doch ganz so leicht ist es nicht.

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Abgeschobene Roma-Familie im Kosovo
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

In dieser Asyldebatte warnen die Grünen jedenfalls vor Plänen der Union und Teilen der SPD, auch die Balkanländer Albanien, Montenegro und Kosovo zu solchen sicheren Herkunftsländern zu erklären. "Einstufungen bestimmter Länder auf dem Papier ändern nichts. Das ist armselige Symbolpolitik", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der "Bild am Sonntag". Hofreiter betonte: "Im Kosovo beispielsweise werden Roma massiv diskriminiert."

Verfehlte Politik?

Der Bundestag hatte 2014 bereits die Balkanländer Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina per Gesetz in diese Kategorie eingestuft, nachdem die Zahl der Asylsuchenden von dort sprunghaft gestiegen war. Diese Menschen sollen durch die Regelung schneller wieder zurückgeschickt werden können. Der Grünen-Fraktionschef sagte mit Verweis auf die aktuellen Asylbewerberstatistiken, dass sich seit der Bundestagsentscheidung die Zahl der Asylbewerber aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina nicht geändert habe.

Auch die Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter hält die Pläne der Koalition, die Liste zu erweitern, für verfehlt. Es gebe "keinen Beweis dafür, dass die Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsländer dazu geführt hat, dass weniger Menschen aus dem Westbalkan zu uns kommen", sagte Peter der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Hofreiter auf dem Bundesparteitag der Grünen
Grünen-Fraktionschef Anton HofreiterBild: picture-alliance/dpa

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer dringt hingegen darauf, die drei Staaten des Westbalkan möglichst rasch zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. "Im Herbst werden wohl wieder besonders viele Menschen über die Balkanroute kommen. Deren Anträge werden zu über 99 Prozent abgelehnt", sagte Scheuer der "Bild am Sonntag". Aus diesen Ländern gebe es "einen massiven Anstieg der Flüchtlingszahlen, den wir bremsen müssen".

Auf diese Linie schwenkt auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ein. "Die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf die Staaten des Westbalkan darf kein Tabuthema sein", erklärte der SPD-Politiker in Berlin. "Wir können die Akzeptanz der Menschen in Deutschland für die Aufnahme von Flüchtlingen in Not nur erhalten, wenn wir auch glaubhaft daran arbeiten, Verfahren zu beschleunigen und bei denjenigen, die keine Chance auf Anerkennung haben, Klarheit schaffen", so Steinmeier weiter.

Außenminister Steinmeier
Frank-Walter Steinmeier, SPDBild: picture-alliance/dpa/EPA/H. Punz

Kritik aus eigener Partei

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hatte sich vor wenigen Tagen mit den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten auf ein SPD-Eckpunktepapier zur Flüchtlingspolitik verständigt. Darin ist auch die Rede davon, weitere Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer einzustufen. Dagegen hatte es heftige Kritik aus den eigenen Reihen gegeben. Der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci kritisierte etwa in einem Brief an Gabriel, aus dem die "Rhein-Neckar-Zeitung" zitierte, es werde bewusst die parlamentarische Sommerpause genutzt, um unbequemen Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Dass nicht einmal eine Evaluation des Instruments "sichere Herkunftsländer" abgewartet werde, sei ein "Kniefall" vor CSU-Chef Horst Seehofer und "ein vollkommen unnötiger noch dazu", hieß es dem Bericht zufolge in dem Brief.

Die Zahl der Asylbewerber vom Westbalkan hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Die Ablehnungsquote liegt nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) jedoch bei 99 Prozent. BAMF-Präsident Manfred Schmidt kündigte an, dass mehr als 90.000 Asylbewerber mit einer Wiedereinreise-Sperre nach Deutschland rechnen müssten. Nach Angaben seiner Behörde stellen 85 Prozent aller Asylbewerber vom Balkan ihren Antrag in Deutschland. "Wir haben inzwischen Familien vom Balkan, die zum vierten Mal in Deutschland sind und um Schutz bitten", sagte Schmidt.

Manfred Schmidt, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Manfred Schmidt vom Bundesamt für Migration und FlüchtlingeBild: Geiger

ml/cw (dpa,afp,rtr)