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Politik

Streit um russisches Kulturzentrum in Lwiw

Viktoria Prykhid
27. Oktober 2016

Die Behörden im westukrainischen Lwiw wollen, dass ein russisches Kulturzentrum seine bisherigen Räumlichkeiten verlässt. Geht es hier nur um die Nutzungsrechte eines Gebäudes oder sind politische Motive im Spiel?

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Ukraine Russische Kulturstätte in Lemberg
Bild: DW/V. Prykhid

Die Abgeordneten des Regionalrats von Lwiw haben am Dienstag das von der "Russischen Puschkin-Gesellschaft" betriebene Kulturzentrum aufgefordert, das Gebäude in der Korolenko-Straße 1a zu verlassen. Nach einer Renovierung soll es Organisationen überlassen werden, die sich bei der Anti-Terror-Operation engagieren, die im Osten des Landes von der ukrainischen Armee gegen prorussische Separatisten durchgeführt wird.

Aktivisten der russischen Gemeinde in Lwiw halten den Räumungsbeschluss für politisch motiviert. "Das ist eine anti-russische Entscheidung. Wir sind Eigentümer der Räumlichkeiten und die Abgeordneten haben kein Recht, sie uns wegzunehmen", sagt der Vorsitzende der "Russischen Puschkin-Gesellschaft", Albert Astachow, im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Aus einem Kino wurde ein Kulturzentrum

Eingerichtet wurde das Kulturzentrum Anfang der 1990er Jahre. Das ehemalige Kino hatten damals die städtischen Behörden zur Verfügung gestellt. Veranstaltet werden dort Tagungen, Konzerte, Ausstellungen und Lesungen für russischsprachige Menschen. Die "Russische Puschkin-Gesellschaft" hat etwa 400 Mitglieder, die einen geringen Beitrag zahlen. Seit 1999 verlangt die Stadt eine symbolische Monatsmiete: fünf Hrywnja (rund 0,20 Euro).

Ukraine Russische Kulturstätte in Lemberg
Veranstaltungssaal im ehemaligen KinoBild: DW/V. Prykhid

Genau das kritisierten Anfang des Jahres die Abgeordneten des Regionalrats. Zudem befanden sie, dass das Gebäude vernachlässigt werde. In Lwiw gibt es allerdings fast 40 gesellschaftliche Organisationen, die ebenfalls nur eine symbolische Miete an die Stadt zahlen. Zu ihnen gehören unter anderem der polnische und tschechische Kulturverein.

Eine politische oder wirtschaftliche Entscheidung?

Ruslan Demtschyschak, Politologe aus Lwiw, findet, dass der Räumungsbeschluss politisch motiviert ist. "Das wird man im Westen kritisch sehen. Man wird sich nicht in die finanziellen Fragen vertiefen. Aber im Zusammenhang mit dem ukrainisch-russischen Krieg wird sich dieser Streit nicht zu unseren Gunsten auswirken, wenn man bedenkt, wie man in Europa auf die Einhaltung von Minderheitenrechten achtet", sagt er.

Olexander Hanuschtschyn, Vorsitzender des Regionalrats von Lwiw, weist hingegen solche Vorwürfe zurück. "Das Gebäude gehört dem Regionalrat. In den frühen 1990er Jahren wurde sie einem Kulturverein übergeben. Später riss ein anderer Verein die Räumlichkeiten an sich. Wir hatten sehr viele Beschwerden. In Wirklichkeit geht es jetzt darum, Ordnung in kommunales Eigentum zu bringen", so Hanuschtschyn.

Tatsächlich gab es vor elf Jahren Streit zwischen den russischen Organisationen in Lwiw. Seitdem gibt es zwei Puschkin-Gesellschaften, eine unter Leitung von Oleg Ljutikow und eine unter Leitung von Albert Astachow. Die erste ist im Besitz des Stempels geblieben und die zweite blieb in dem Gebäude in der Innenstadt von Lwiw. Astachow beteuert, dass nur sein Verein seit elf Jahren das Gebäude pflege und auch alle Rechnungen zahle. Doch die Räume sind in einem schlechten Zustand. Auf Wänden und Decken sind Risse und Wasserflecken.

Ukraine Russische Kulturstätte in Lemberg
Albert Astachow leitet eine der beiden Puschkin-Gesellschaften in LwiwBild: DW/V. Prykhid

In Lwiw ungern gesehen Symbole

Deutlich zu sehen ist in den Räumen des Kulturzentrums ein Porträt des russischen Zaren Nikolaus II. sowie ein Sankt-Georgs-Band. Es besteht aus drei schwarzen und zwei orangenen Streifen und gilt in Russland als Symbol militärischer Tapferkeit der sowjetischen Armee im Zweiten Weltkrieg. Während der Ukraine-Krise im Frühjahr 2014 fand es bei den prorussischen Demonstranten auf der Krim und im Osten der Ukraine als Erkennungszeichen weite Verbreitung. Ferner liegen in dem Kulturzentrum von der russischen Gemeinde herausgegebene Zeitungen aus. Auch auf der Internetseite des Vereins sind Texte mit Kreml-treuen Parolen wie "Die Krim ist unser" zu lesen.

Bereits in den 1990er Jahren sorgten Vertreter des Kulturzentrums mit Äußerungen, die in Lwiw als anti-ukrainisch verstanden wurden, immer wieder für Skandale. Das Zentrum wurde in der Vergangenheit wiederholt Ziel von Vandalismus. So wurden Außenwände des Gebäudes mit Farbe beschmiert und Fenster eingeschlagen.

Aktivisten wollen vor Gericht ziehen

Beim Regionalrat von Lwiw wird versichert, dass man das Kulturzentrum nicht einfach auf die Straße setzen werde. Die Russen seien doch die größte ethnische Minderheit der Stadt. Schätzungen zufolge leben in Lwiw zwischen 65.000 und 100.000 ethnische Russen. Dem Kulturzentrum sollen andere Räume zur Verfügung gestellt werden. Unter welchen Bedingungen, ist aber noch unklar.

Vertreter der russischen Gemeinde wollen dennoch klagen und erreichen, dass das Kulturzentrum in der Korolenko-Straße 1a bleibt. Sie wollen notfalls vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Doch geschlossen wollen die beiden Puschkin-Gesellschaften auch in diesem Rechtsstreit nicht vorgehen.