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Politik

Streit um "kultursensible" Toiletten

Khaled Salameh
12. August 2017

Ein Kölner Kulturzentrum will eine "kultursensible Toilette" installieren - vor allem für Muslime. Die Reaktionen auf das Projekt fallen unterschiedlich aus. Auch in der muslimischen Welt ist man geteilter Meinung.

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Köln, Alte Feuerwache, Express-Zeitung über WC-Pläne
Bild: DW/Milan Gagnon

Die Integration ist für Flüchtlinge in Deutschland alles andere als einfach. Sie müssen eine fremde Sprache lernen, eine Arbeit finden, sich mit einem komplizierten Sozialgefüge vertraut machen. Zudem hat sich die Stimmung Flüchtlingen gegenüber geändert: Die Deutschen sind nicht mehr so offen wie vor zwei Jahren. Terroranschläge und die Erfahrung, dass die Integration nicht reibungslos verläuft, haben ihren Optimismus gedämpft. In dieser Situation macht nun das Kölner Kulturzentrum "Bürgerzentrum Alte Feuerwache e.V." von sich reden: Seine Leitung hat beschlossen, so genannte "kultursensible Toiletten" zu bauen - vor allem für Muslime. Es handelt sich um Toiletten, die kein Sitzbecken haben, sondern bloß ein Loch im Boden. 

Der Entschluss feuert eine ohnehin aufgeheizte Diskussion um die Integration zusätzlich an. Kaum hatte die Lokalzeitung "Kölner  Stadt-Anzeiger" über den Fall berichtet, setzte im Internet eine intensive Diskussion ein. Die meisten Leser reagierten entweder mit offener Ablehnung oder machten sich über den Vorschlag lustig.

In islamischen Ländern üblich?

Die geplante Toilette ist Europäern vor allem aus Frankreich bekannt. "Eine solche Toilette entspricht eher dem, was in islamisch geprägten Ländern üblich ist", sagt Konrad Müller vom Vorstand des Bürgerzentrums. "Und wir möchten den Menschen aus diesen Ländern damit das Gefühl geben, dass sie hier zu Hause sind."

Zur Reinigung sehen die Leiter des Kulturzentrums kein Papier, sondern einen Wasserschlauch vor. Außerdem soll die Bodenaussparung in der Toilette nicht nach Süden ausgerichtet sein. "Nach Mekka kacken geht gar nicht", erklärt Konrad Müller in flapsiger Wortwahl.

Köln, Alte Feuerwache-Hof
Ort der interkulturellen Begegnung: das Kölner Kulturzentrum "Alte Feuerwache e.V."Bild: DW/Milan Gagnon

Reaktionen aus Köln

Das Thema wurde auch von Kölner Lokalpolitikern aufgegriffen. "Das verschlägt mir den Atem", sagte etwa Uli Breite, Geschäftsführer der Kölner FDP-Fraktion. "Wir Liberale sind auf Aufklärung und Fortschritt bedacht. Diese Toilette ist ein Rückschritt! Integration lebt davon, dass sich die Menschen integrieren, die zu uns kommen - und nicht umgekehrt."

Auch die Fraktionschefin der Kölner Grünen, Kirsten Jahn, zeigte sich bestürzt. "Oh Gott - was für ein Quatsch. Es ist eine Anmaßung des Vorstands der Feuerwache, davon auszugehen, wie Menschen ihre Geschäfte verrichten wollen. Es ist lächerlich - und hat nichts mit dem Glauben zu tun."

Über andere Kulturen lernen?

Die Leitung des Kulturzentrums verteidigte die Entscheidung hingegen. "Daran ist nichts falsch, und es hat nichts mit Gutmenschentum zu tun, denn unser Verein hat sich auch dem interkulturellen Lernen verschrieben. Und hier kann die einheimische Bevölkerung etwas über andere Kulturen lernen."

Ahmed Awaimer, der Dialogbeauftragte des Zentralrats der Muslime, zeigte sich gegenüber der DW zurückhaltend gegenüber dem Projekt. Grundsätzlich versuchten Kulturzentren wie die "Alte Feuerwache" Menschen verschiedener Kulturen zum Dialog miteinander zu bringen und die Menschen dazu anzuhalten, einander auch trotz unterschiedlicher Ansichten zu respektieren. Über den anderen nachzudenken sei grundsätzlich gut.

Hocktoilette
"Kultursensibel?" So ungefähr soll die neue Toilette aussehenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die Frage der Toilette gehöre allerdings nicht zu den besonders dringlichen Problemen der Integration. Darum sei auch die Aufregung über das Projekt übertrieben. Es gebe andere und wichtigere Aufgaben, die gemeinsam gelöst werden müssten. Dazu gehöre etwa, Fortbildungskurse für Hunderttausende Muslime zu organisieren.

Hingegen deute der Umstand, dass der Bau einer Toilette für eine sehr überschaubare Summe derartige Aufregung auslöse, auf islamophobische Tendenzen hin. Man könne sich vorstellen, welche Aufregung gar der Bau einer größeren Moschee dann auslösen werde.

Kein Wahlkampfthema

Im laufenden Wahlkampf haben einige Politiker die Geschichte aufgegriffen, um sie für ihre Zwecke auszuschlachten. Nach den Urinalbecken für Frauen gehe es nun um Toiletten für Muslime. Es scheine, als habe das Land keine anderen Probleme, spottete etwa ein AfD-Politiker aus Hessen.

Man solle versuchen den Streit um die Toilette aus dem Wahlkampf zu halten, meint hingegen Ahmed Awaimer vom Zentralrat der Muslime. Ein solch erhitztes Thema aufzugreifen sei einer demokratischen Kultur nicht würdig. Er hoffe, dass Politiker dieses Terrain meiden würden.

USA Guggenheim Museum - Toilette America aus Gold von Maurizio Cattelan
Fetisch WC: eine goldene Toilette, entworfen vom Künstler Maurizio CattelanBild: picture-alliance/dpa/C. Horsten

Reaktionen aus der arabischen Welt

In der arabischen Welt selbst wurde der Fall kontrovers diskutiert. "Muslime in den Golfstaaten benutzen sogar mit Gold verzierte Toiletten", schrieb Leser Bilal Arbouch auf der Facebook-Seite der DW. "Darauf", meinte er augenzwinkernd, "muss Deutschland auch Rücksicht nehmen."

Osama Saadallah kann die Aufregung nicht verstehen. "Warum sind alle so wütend auf diese Toilette?", fragt er. In anderen Ländern Europas gebe es sie schließlich auch. Es lohne sich nicht, wegen der Toiletten einen "Heiligen Krieg" zu führen. "Man kann seine Notdurft verrichten, wie man will. Hauptsache, es ist bequem."

Was solle diese Debatte, fragt Ahemd Habra. "Haben Muslime kein Recht auf ein Leben in demokratischen Ländern, in denen die Menschenrechte geachtet werden?"

"Diese Toiletten haben nichts mit dem Islam zu tun", schreibt Tarekh Jishi. Dieser Toilettentypus sei längst ausgestorben. "Und auch wenn der ein oder andere ihn noch nutzt, heißt es nicht, dass diese Toiletten irgendeinen Bezug zum Islam haben."

Deutschland habe sich seit der Ankunft der Flüchtlinge verändert, beobachtet Magdi Attaw. "Sogar Klos lösen Debatten aus."