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Streit um Gentests an Embryonen

16. Oktober 2010

Die Bundesregierung ist uneins, ob Gentests an künstlich erzeugten Embryonen verboten werden sollen. Die FDP ist gegen, die Junge Union für ein Verbot. Auch Kanzlerin Merkel ist gegen Präimplantationsdiagnostik (PID).

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Embryo (Foto: picture-alliance)
Mit Gentests sollen Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib untersucht werdenBild: picture-alliance / Helga Lade Fotoagentur GmbH, Ger

In die Debatte um die genetische Untersuchung von Embryonen aus dem Reagenzglas, die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID), hat sich Angela Merkel eingeschaltet. Aus ihrer Sicht "sollten wir die Präimplantationsdiagnostik verbieten", sagte die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende am Samstag (16.10.2010) beim Deutschlandtag der Jungen Union in Potsdam auf die entsprechende Frage eines Delegierten. Damit stellte sich Merkel gegen den Koalitionspartner FDP.

Umstrittene Diagnostik

Merkel (Foto: dapd)
Merkel bezieht Position gegen PIDBild: dapd

Bei der PID werden Embryonen, die künstlich im Reagenzglas erzeugt wurden, auf Gendefekte untersucht und vernichtet, wenn Schäden festgestellt werden. Was ein Gendefekt ist, sei aber nicht definierbar, begründete Merkel ihre Verbotsforderung. Es könne sich um eine schwere genetische Krankheit handeln oder aber auch um eine weniger schwere.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang Juli geurteilt, dass die PID nicht gegen das bestehende Embryonenschutzgesetz verstößt. Seitdem werden die Stimmen von PID-Gegnern nach einem ausdrücklichen Verbot lauter. Auch die Junge Union drängt auf ein Verbot von PID, "sofern dabei kranke oder überzählige Embryonen abgetötet werden". Die Delegierten des Deutschlandtages verabschiedeten am Samstag einen Initiativantrag, der Mitte November beim Bundesparteitag der CDU eingebracht werden soll. Die Pränataldiagnostik (PND) während der frühen Schwangerschaft soll aber weiter möglich sein.

Uneinige Koalition

Eizelle (Foto: dpa)
So beginnt alles: Eine Eizelle wird künstlich befruchtetBild: picture alliance / dpa

Nicht alle in der Union sind für ein PID-Verbot. PID sei "eine Hilfe, um Eltern das Ja zum Kind zu erleichtern", sagte etwa der ehemalige CDU-Generalsekretär und heutige Wirtschafts-Staatsekretär Peter Hinze dem "Spiegel": "Ein gegen eine Frau gerichteter Implantationszwang einer schwer belasteten befruchteten Eizelle ist mit unserer Verfassungsordnung nicht vereinbar." Auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ist gegen ein Verbot: Es sei ein Widerspruch, die Präimplantationsdiagnostik zu verbieten, während Spätabtreibungen bis zum neunten Monat unter bestimmten Bedingung erlaubt sind. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) wiederum ist für ein Verbot.

Der Koalitionspartner FDP ist gegen ein Verbot. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) argumentiert wie Familienministerin Schröder. "Die FDP legt mehr Gewicht auf die Sorgen und Nöte der Paare mit genetisch bedingten Krankheitsrisiken als die Union", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Allerdings warnt die Gruppe "Christen in der FDP-Bundestagsfraktion" vor "Schnellschüssen". Sie fordert eine fraktionsübergreifende Debatte im Bundestag und eine freie Abstimmung ohne Fraktionsdruck. Auch Lindner und Merkel haben bereits angedeutet, dass über PID jenseits von Fraktions- und Koalitionsgrenzen abgestimmt werden könnte.

Protestanten uneins

utter mit Kind (Foto: dpa)
2008 kam das erste spanische Baby zur Welt, das nach genetischen Kriterien ausgewählt worden warBild: picture-alliance/dpa

Katholische Kirche, Behindertenverbände und Lebensschutzgruppen sind generell gegen die PID-Anwendung. In der Evangelischen Kirche gibt es unterschiedliche Auffassungen. Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, hatte sich Anfang der Woche dafür ausgesprochen, PID "unter eng gefassten Bedingungen zuzulassen".

Dagegen sagte der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich am Donnerstag, PID ziele darauf ab, "menschliches Leben auszusortieren - weil es krank ist, nicht lebensfähig oder auf andere Weise nicht den Ansprüchen 'genügt', die an ein Menschenkind gestellt werden". Deshalb sei sie grundsätzlich abzulehnen. Nur Gott allein sei der "Herr über Leben und Tod".

Autor: Dirk Eckert (kna, dapd)

Redaktion: Sabine Faber