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Streit um Demenz vor UN-Tribunal

30. August 2012

Vier Greise müssen sich wegen der Gräueltaten der Roten Khmer vor dem Völkermordtribunal in Kambodscha verantworten. Nun streiten Ärzte um die Prozessfähigkeit der angeklagten 80-jährigen einstigen Sozialministerin.

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Der Verhandlungssaal des Völkermordprozesses in Kambodscha (Foto: dpa)
Völkermordprozess in KambodschaBild: picture-alliance/dpa

Das Verfahren gegen leng Thitith war im vergangenen Jahr ausgesetzt worden, weil Mediziner Demenz bei der früheren Pol-Pot-Ministerin festgestellt hatten. Das Gericht ordnete damals eine zweite Anhörung an, um festzustellen, ob sich Iengs Zustand durch Medikamente verbessert. Die Ergebnisse der Behandlung werden seit Donnerstag vor Gericht widersprüchlich gedeutet.

Was weiß sie noch?

"Wir haben keinerlei Anzeichen für eine Verbesserung ihres Zustands festgestellt", sagte der britische Arzt Seena Fazal. Wie zwei weitere Experten schloss er aus, dass sich das Gedächtnis der Ex-Sozialministerin bessern wird. Die kambodschanische Psychiaterin Chak Thida widersprach. Ieng Thirith habe keine Demenz-Symptome, sagte sie. Sie befinde sich allenfalls in einem Vorstadium der Demenz. Andere Experten bezweifeln, dass Chak die Angeklagte korrekt getestet hat. Die Anhörung dauert noch bis Freitag.

Die ehemalige Sozialministerin Ieng Thirith in Phnom Penh auf der Anklagebank (Foto: dpa)
leng Thirith - kann oder will sie sich nicht erinnernBild: picture-alliance/dpa

Zu einem späteren Zeitpunkt wollen die Richter dann entscheiden, ob Ieng als unheilbar krank aus dem Prozess in Phnom Penh entlassen oder das Verfahren gegen sie fortgesetzt wird. Die Angeklagte war am Donnerstag nicht im Gerichtssaal. Sie verfolge die Anhörung über Videolink, sagte ein Sprecher.

Auch zwei der drei übrigen Angeklagen zeigen sich nicht in optimaler Verfassung. Iengs Ehemann, Ex-Außenminister leng Sary (86), hatte im Mai einen Schwächeanfall. Ex-Präsident Khieu Samphan (81) beantragt während der mehrstündigen Verhandlungen immer wieder Pausen. Der fitteste unter ihnen ist noch der einstige Chefideologe Nuon Chea (85).

"Die Sorge ist, dass einer oder mehrere sterben, bevor es überhaupt ein Urteil gibt", sagte Prozessbeobachterin Clair Duffy von der Organisation "Open Society Justice Initiative". Schon Rote-Khmer-Chef Pol Pot starb 1998 ohne ordentliches Gerichtsverfahren, ebenso 2006 Militärchef Ta Mok.

Nach Jahren des Bürgerkriegs kam die Justiz erst vor sechs Jahren in Gang. Das von den Vereinten Nationen unterstützte Tribunal steckt in einem Dilemma. Einerseits soll es ein Paradebeispiel für faire Justiz abgeben. Andererseits steht es wegen des Alters der Angeklagten unter Zeitdruck. Bisher wurde als einziger Kaing Guek Eav alias "Kamerad Duch" verurteilt, der Chef des Foltergefängnisses S-21. Er bekam lebenslänglich.

Kambodscha: Lebenslang für Folterchef

Unvorstellbare Gräueltaten

Den vier früheren Drahtziehern des Rote-Khmer-Regimes werden Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord vorgeworfen. Unter der Vorgabe, eine maoistische Bauerngesellschaft zu schaffen, zwangen die Roten Khmer zwischen 1975 und 1979 Stadtbewohner aufs Land, verordneten Zwangsarbeit und folterten und ermordeten Tausende, die sie für Verräter hielten. Nach unterschiedlichen Schätzungen wurden unter ihrer Terrorherrschaft zwischen 1,8 und 2,2 Millionen Menschen getötet, gut ein Viertel der Bevölkerung.

Im Nordwesten Kambodschas entdeckten Dorfbewohner jetzt ein weiteres mögliches Massengrab Der Fundort mit Schädeln und Skelettteilen liegt 60 Kilometer entfernt von der Stadt Siem Reap. Nach Angaben eines Militärsprechers war früher in der Gegend ein Gefängnis der maoistisch-nationalistischen Guerillabewegung der Roten Khmer.

se/qu (dpa, dapd, kna)