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Streit mit China um geistiges Eigentum

Hans Spross | Srinivas Mazumdaru
21. August 2017

Peking hat "starkes Missfallen" darüber ausgedrückt, dass Washington offizielle Untersuchungen über Verletzung geistigen Eigentums durch China eingeleitet hat. Das Thema beschäftigt die Wirtschaft seit Jahrzehnten.

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Deutschland Kuka-Roboter im Porsche Werk Leipzig
Bild: picture alliance/dpa/J. Woitas

Am Freitag hatte der US-Handelsbeauftragte Robert Lightizer eine "gründliche Untersuchung solcher chinesischen Gesetze, Richtlinien und Praktiken" angekündigt, die "möglicherweise amerikanische Rechte an geistigem Eigentum verletzen sowie amerikanischer Innovation und technologischer Entwicklung schaden." Brisanz enthält die Ankündigung dadurch, dass die Untersuchung im Rahmen des sogenannten Paragraph 301 des US-Handelsgesetzes von 1974 durchgeführt wird. Darin wird dem US-Präsidenten die Vollmacht eingeräumt, einseitig Zölle oder andere Maßnahmen zu ergreifen, um US-Unternehmen vor "unfairen Handelspraktiken" anderer Länder zu schützen.

Sollte die Untersuchung etwa nach einem Jahr zum Ergebnis kommen, dass solche Verstöße vorliegen, stünde erneut die Gefahr eines amerikanisch-chinesischen Handelskrieges im Raum, den Trump und manche seiner Berater wie (der inzwischen  zurückgetretene) Steve Bannon durchaus ins Kalkül ziehen beziehungsweise sogar fordern.

Das Handelsministerium in Peking erklärte denn auch am Montag, der amerikanische Schritt sende "das falsche Signal" und würde von der internationalen Gemeinschaft verurteilt werden. "Die Missachtung der Regeln der WTO durch die USA und der Rückgriff auf nationales Recht, um Handelsuntersuchungen gegen China einzuleiten, sind unverantwortlich." Die amerikanische Kritik an China sei "nicht objektiv", so der Sprecher.

Chefstratege im Weißen Haus Stephen Bannon
Trumps Chefstratege Stephen Bannon musste gehen, aber der von ihm propagierte Handelskrieg mit China könnte noch kommen Bild: picture alliance/AP Photo/A. Brandon

Weltmeister im Kopieren - und auch beim Diebstahl?

Allerdings gilt China allgemein als Weltmeister beim Abkupfern von Technologien, industriellem Design und Geschäftsmodellen. Das muss nicht immer ein klarer Fall von Diebstahl geistigen Eigentums oder von Fälschung sein. Oft handelt es sich um offene Kopien, so etwa als China auf das i-Phone vom US-Konzern Apple mit einem eigenen und billigeren "HiPhone" reagierte. Und auch Unternehmen wie Xiaomi, Weibo und Youku gelten als Kopien der amerikanischen Vorbilder Apple, Twitter und Youtube.

Offenes Kopieren ist das eine, Diebstahl geistigen Eigentums das andere. Von amerikanischer Seite werden die dadurch entstandenen Verluste auf bis zu 600 Milliarden Euro geschätzt. Eine gewaltige Summe, die aber dennoch bisher weder zum Rückzug ausländischer Unternehmen vom wichtigen chinesischen Markt noch zu harten Sanktionen geführt hat.

Aus deutscher Sicht stellt sich das Problem des geistigen Eigentums im China-Geschäft zwiespältig dar, wie Stefanie Schmitt vom Pekinger Büro der deutschen Außenhandelsagentur  German Trade and Invest (GTAI) erläutert: "Bei der jüngsten Umfrage der deutschen Handelskammer in China wurde festgestellt, dass für 63 Prozent der Unternehmen, die ihre China-Pläne erstmal auf Eis gelegt haben, der mangelhafte Schutz geistigen Eigentums ausschlaggebend war. Wenn man allerdings die in China bereits tätigen Firmen nach ihren Hauptherausforderungen befragt, dann steht Schutz des geistigen Eigentums erst an 10. Stelle. Da stehen andere Themen im Vordergrund, wie steigende Arbeitskosten, fehlendes Fachpersonal, geringeres Wirtschaftswachstum und stärkerer Wettbewerb durch einheimische Anbieter."

Dr. Stefanie Schmitt
Stefanie Schmitt von GTAI: Chinas Gesetze zum Copyright-Schutz sollte man ausnutzen Bild: Studio Prokopy

"Unerwünschte Technologie-Abflüsse"

Die amerikanische China-Expertin und Wirtschaftsanwältin Rebecca Liao glaubt, dass amerikanische und europäische Firmen immer vorsichtiger vorgehen müssten, wenn sie auf dem chinesischen Markt Fuß fassen wollten. Grund sei die klare Aufforderung der chinesischen Regierung an einheimische Unternehmen, sich um Technologietransfer durch ausländische Unternehmen zu bemühen.

Technologietransfer und Diebstahl geistigen Eigentums sind offenbar nicht immer trennscharf zu unterscheiden. "Angst vor unerwünschten Technologieabflüssen gibt es immer", formuliert Stefanie Schmitt von GTAI. "Bei Joint Ventures ist das besonders akut, weil man direkt mit einem chinesischen Partner zusammenarbeitet und nicht weiß, ob der nicht ein paar hundert Meter weiter eine ähnliche Fabrik aufbaut." Manche Unternehmer hätten sich deshalb aus ihrem Joint Venture freigekauft und eine hundertprozentiges Tochterunternehmen gegründet, nachdem das 1986 von Peking für bestimmte Branchen erlaubt wurde.

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Joint-ventures sind für ausländische PKW-Investoren die Norm. Aber die Zusammenarbeit hat auch ihre Tücken Bild: picture-alliance/dpa/Z. Junxiang

Politik der Druckausübung auf ausländische Firmen

Eine Lösung, die aber nicht für alle Unternehmen und Branchen passt, wie Agatha Kratz, China-Expertin beim European Council on Foreign Relations (ECFR) in London, erläutert: "Im Kern geht es um die Vorgaben der chinesischen Regierung, die ausländische Firmen dazu zwingen, ihre Technologien entweder mit staatlichen Behörden (aus Gründen der nationalen Sicherheit) zu teilen, oder Partnerschaften mit örtlichen Unternehmen bestimmter Branchen einzugehen, was einen Technologietransfer einschließt." Damit sei noch nicht der Tatbestand des Diebstahls von geistigem Eigentum gegeben, sagt Kratz, wohl aber "Druckausübung auf ausländische Firmen, damit diese ihre Technologien teilen und offenlegen."

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Chinesische Übernahmen wie die des Roboterherstellers Kuka künftig nur noch bei Gleichbehandlung europäischer Investoren? Bild: picture alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

Juristische und politische Hebel jenseits von Trumps Handelskrieg

Trotz aller Klagen konstatieren Experten, dass China seine Gesetze zum Schutz von Patenten, Handelsmarken und des Copyrights in den vergangenen Jahren gestärkt hat. "Die chinesische Regierung ist sich dessen bewusst, dass ausländische Firmen über den Diebstahl und die Einverleibung geistigen Eigentums unglücklich sind", sagt Anwältin Rebecca Liao. "Und sie weiß, dass das auch ein Problem zwischen chinesischen Firmen ist."

Auch Stefanie Schmitt sagt: "Es ist nur zu empfehlen, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die das chinesische Gesetz bietet, also alle Gebrauchsmuster und Patente anzumelden, die man irgendwie anmelden kann und Verletzungen entsprechend zu melden und juristisch zu verfolgen. Ob das immer zum Erfolg führt, ist eine andere Frage. Aber es ist möglich."

Auf politischer Ebene sieht Agatha Kratz einen erfolgversprechenderen Ansatz als Trumps Drohung mit Strafzöllen darin, wenn westliche Regierungen auf größere Öffnung des chinesischen Marktes und weniger restriktive Bedingungen für Investoren dringen. Andernfalls riskiere Peking, dass die EU und die USA mit ihren relativ offenen Märkten chinesische Investitionen noch schärfer unter die Lupe nehmen, als es sie jetzt bereits anfangen zu tun.