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Streit im Netz

8. Juli 2010

Beleidigen, beschimpfen, bloßstellen – Mobbing ist nicht nur in Deutschlands Klassenzimmern ein Problem. Im Internet soll mittlerweile jeder fünfte Jugendliche als Opfer oder Täter vom Cyberbullying betroffen sein.

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Schüler mit Laptop (Foto: AP)
Auch virtuelle Beschimpfungen tun wehBild: AP

Witzige Fotomontagen hatte sich Diandra im Netz immer gerne angesehen. Doch dieses Bild brachte sie zum Weinen. "Es war ein Mädchen darauf zu sehen, das eklig war", sagt sie und lacht verlegen. Das Mädchen hatte ihr Gesicht, aber den Körper einer Pornodarstellerin. Das manipulierte Foto fand die 12-jährige Schülerin eines Tages im Internet – nachdem sie Streit mit einem Klassenkameraden gehabt hatte.

"Man fühlt sich dabei, als ob die ganze Welt gegen einen wäre und man in ein tiefes Loch verbuddelt wird", sagt Diandra. Auch wenn sie das Bild schnell entfernen und ihren Klassenkameraden zur Rede stellen konnte, bleibt doch die Scham und die Angst. Sie sei viel vorsichtiger geworden, mit wem sie in der Schule und im Internet Umgang habe, erzählt das dunkelhaarige Mädchen.

Ein Film gegen Mobbing im Internet

Der stellvertretende Leiter des Medienprojekts Wuppertal, Norbert Weinrowsky, trainiert Jugendliche an der Kamera. (Foto: Medienprojekt Wuppertal)
Training an der KameraBild: Medienprojekt Wuppertal

Diandra möchte andere Jugendliche vor dem allzu sorglosen Surfen im Netz warnen. Deshalb hat sie gemeinsam mit vier anderen Schülern die Dokumentation "Streit im Netz" beim Medienprojekt Wuppertal gedreht. Sie hofft nun, möglichst viele andere jugendliche User damit zu erreichen. Die Chancen stehen gut, meint Projektleiter Andreas von Hören. Zahlreiche DVDs seien bereits von Schulen und Jugendzentren bestellt worden.

Der Medienpädagoge dreht schon seit 1992 mit Jugendlichen Filme, die einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden – im Wuppertaler Kino, auf Festivals und als bundesweit vertriebene DVD-Produktion. "Es gibt ein großes Interesse an dem Thema", sagt von Hören. "Denn immer mehr Jugendliche erleben auch die negativen Seiten der sozialen Netzwerke."

Mit der Faust in den Bildschirm

Polizisten in Einsatzzentrale (Foto: dpa)
Auch Cybermobber müssen zur Rechenschaft gezogen werdenBild: picture-alliance/dpa

Bei Heiko hat das virtuelle Mobbing sogar physische Spuren hinterlassen. In der Dokumentation zeigt der Wuppertaler Schüler die Narbe auf seiner Hand. "Die ist zurückgeblieben, nachdem ich vor Wut mit der Faust in den Bildschirm geschlagen habe." Der 14-jährige Schüler wurde monatelang von einem Jungen im Internet beleidigt und bedroht. Erst als Heiko mit seinen Eltern zur Polizei ging und Computerspezialisten die Adresse des Mobbers herausfanden und ihn zur Rede stellten, war Schluss.

"Die Täter müssen genauso wie beim realen Mobbing zur Rechenschaft gezogen werden", fordert Medienpsychologin Catarina Katzer. Sie hat die bislang einzige repräsentative Studie zum sogenannten Cyberbullying in Deutschland veröffentlicht. In einem Interview mit den Jugendlichen des Medienprojekts warnt die Psychologin davor, die virtuellen Beleidigungen einfach nur "wegzuklicken". Wer im Internet beleidigt, beschimpft oder sogar bedroht werde, sollte sich Eltern und Lehrern anvertrauen.

Ein ganzes Leben lang Opfer

Ein 16-jähriger Schüler wirft einen 13-Jährigen auf den Boden und entwendet ihm die Geldbörse (Foto: dpa)
Cybermobbing beginnt in der SchuleBild: picture-alliance/ dpa

Nicht nur die Provider der sozialen Netzwerke müssten stärker gegen Internetmobber vorgehen, sondern auch die Schulen, meint Katzer. Immerhin kommen ihrer Studie zufolge fast 80 Prozent der Täter aus dem schulischen Umfeld. Vom Cyberbullying betroffen ist laut Katzer mittlerweile jeder fünfte Jugendliche in Deutschland.

"Diese Form des Mobbings hat eine ganz neue psychologische Dimension", mahnt die Psychologin. "Denn man bleibt ein ganzes Leben lang Opfer." Was einmal im Internet stehe, sei nicht mehr zu löschen und für eine breite Öffentlichkeit sichtbar. "Wir müssen den Jugendlichen beibringen, dass sie sich öffentlich machen, wenn sie soziale Netzwerke nutzen."

Auch Ayla warnt vor zu viel Vertrauensseligkeit. Sie appelliert an die Zuschauer der Dokumentation, sich lieber auf die Freunde im echten Leben zu verlassen. Und zwar nicht nur aus Angst vor Cyberbullying. "Mit jedem virtuellen Freund wird es schwieriger, Zeit für richtige Freunde zu haben", betont die 18-jährige Schülerin. "Sonst wird man mit 3.000 Hallo- und Tschüß-Freunden aus dem Internet vereinsamen."

Autorin: Sabine Damaschke

Redaktion: Manfred Götzke