Missklänge in deutscher Orchesterlandschaft?
28. Juni 2011Ob in Wuppertal, Hagen, Remscheid, Solingen oder Herford – in allen fünf Städten in Nordrhein-Westfalen sehen die Musiker der städtischen Orchester sorgenvoll in die Zukunft. Die Kommunen stecken tief in den roten Zahlen und haben kaum noch finanziellen Spielraum. In Wuppertal fiel bereits das Schauspielhaus dem Rotstift zum Opfer; zum Ende der nächsten Spielzeit soll es schließen: Stehen als nächstes die Wuppertaler Sinfoniker vor dem Aus?
Einzigartige Orchesterlandschaft
Trotz solcher beunruhigender Meldungen sind die deutschen Orchester von einer Bedrohung ihres Bestands weit entfernt: Neben 133 so genannten "Kulturorchestern", die professionell arbeiten und öffentlich gefördert werden, gibt es noch zahlreiche andere kleine und große privat organisierte Ensembles; alle zusammen stellen eine weltweit einzigartige Orchesterlandschaft dar, die, ginge es nach einigen Musikenthusiasten, zum Weltkulturerbe erklärt werden müsste.
Musizieren gegen den Rotstift
Dennoch hat es in den vergangenen 20 Jahren durchaus einige Veränderungen in dieser Landschaft gegeben: Beispielsweise waren viele Stadtorchester in der ehemaligen DDR nach der deutsch-deutschen Vereinigung 1990 aus Kostengründen nicht mehr tragbar. Sie mussten fusionieren oder wurden komplett aufgelöst. Damit verschwand in den neuen Bundesländern eine einst reichhaltige Orchesterlandschaft.
Und immer noch, so Willibert Steffens von der Deutschen Orchestervereinigung, sieht die Zukunft für einige der verbliebenen Ensembles nicht rosig aus. Auch im Westen wurden einige Orchester zu neuen Klangkörpern zusammengelegt. Ein Dauerthema sind die überall seit Jahren immer knapper werdenden öffentlichen Kassen, die ebenfalls zur Verschärfung der finanziellen Situation bei den städtischen Orchestern beitragen.
Wege aus der Misere
Durchschnittlich 80 Prozent eines städtischen Orchestergesamtetats würden für Personalkosten ausgegeben, sagt Patrick Schmeing, der geschäftsführende Direktor des Kölner Gürzenich Orchesters. Spielraum für Experimente bleibt da nicht: "Wir müssen einfach gute Arbeit leisten sowohl in künstlerischer Hinsicht, aber auch, und das sage ich sehr deutlich, in betriebswirtschaftlicher Hinsicht in puncto Management, Qualifikation und Kompetenz. Es ist nicht zu akzeptieren, dass populäre Konzerte oder auch anspruchsvollere Programme des Gürzenich Orchesters vor halbleerem Saal gespielt werden." Intensive Werbung, eine ausgewogene Konzertplanung und engagierte Jugendarbeit betreibt man mittlerweile nicht nur in Köln mit Energie und Hingabe, sondern im gesamten Bundesgebiet.
Kämpfen um den Erhalt
Während die deutschen Orchester erst seit einigen Jahren zunehmend mit privaten Sponsoren zusammenarbeiten und damit zusätzliches Geld bekommen, ist in den USA die Privatfinanzierung der Klangkörper die Regel; eine staatliche Unterstützung gibt es kaum. Dementsprechend konzentriert sich dort der Musikbetrieb auf die städtischen Ballungszentren: Wer in die Oper oder ins Konzert möchte, muss in die Großstädte fahren.
Das ist hier nicht nötig – noch nicht. Und sowohl Willibert Steffens als auch Patrick Schmeing hoffen, dass die deutsche Orchesterlandschaft so bleibt, wie sie ist: "Sie muss sich halten lassen, denn dazu gibt es keine Alternative", betont Schmeing. "Die reiche deutsche Orchester- und Musikkultur ist ein weltweit einzigartiges Phänomen, und es gilt, das auch auf politischer Ebene zu erkennen und zu fördern. Wenn dieser Reichtum in seiner Breite einmal weg gebrochen ist, wird der auch nie wieder kommen."
Autor: Klaus Gehrke
Redaktion: Suzanne Cords