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Google-Baby: Street View

23. Februar 2010

Seit Wochen streiten sich die deutsche Politik und der Internetkonzern Google um die neue Funktion Street View. Politik und Datenschützer sehen Persönlichkeitsrechte verletzt. Google will noch dieses Jahr online gehen.

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Für das Projekt Street View fotografiert am 05.05.2009 ein Wagen des Internet-Unternehmens Google mit einer Spezialkamera Straßen in Kiel.
Bitte lächeln: die Spezialkameras von GoogleBild: picture alliance/dpa

Eine "neue Art von Karte" - so nennt Google sein Projekt Street View. Statt auf einem Stadtplan abstrakte Straßen anzusehen, soll der Benutzer in einer detailgenauen Abbildung der Stadt navigieren können. Dafür ist das Unternehmen mit Kameras durch die Straßen gefahren und hat ganz Deutschland fotografiert. Bis auf wenige Orte, "wo es technische Schwierigkeiten gab", sei alles abfotografiert, erklärt Raphael Leiteritz, Projektentwickler bei Google. "Wir werden das vermutlich im Sommer abschließen und dieses Jahr noch starten."

Ohne Hose im Vorgarten

In Nachbarländern wie Frankreich und der Schweiz ist Street View bereits online. Eine Innovation, so sagt Google, die dem Nutzer ermöglicht, sich Urlaubsorte anzusehen, bevor er bucht, vor Wohnungsbesichtigungen zu kontrollieren, ob vielleicht eine große Straße vor dem Haus vorbeiläuft und Ähnliches. Der Knackpunkt ist allerdings: Alle Bilder wurden im Alltag aufgenommen und jeder, der zufällig irgendwo stand, als das Google-Fahrzeug vorbeifuhr, wird jahrelang im Internet zu sehen sein.

Google Street View Ansicht bei Google Maps vom Place Charles de Gaulle in Paris (Foto: Google Maps)
Wer noch nie in Paris war, kriegt mit Street View einen EindruckBild: Google Maps

In Finnland, wo der Dienst bereits online war, verklagte ein Hausbesitzer den Anbieter, weil er ohne Hose in seinem Vorgarten fotografiert worden war. Überall im Street-View-Universum trifft man beim Navigieren auf Passanten, die zufällig anwesend waren, als die Kamerafahrzeuge von Google vorbeikamen. Man nehme den Datenschutz "natürlich ernst", sagt Leiteritz. "Aber wenn es nach uns ginge, würden wir den Menschen sagen: 'Geht nicht um 11 Uhr auf den Times Square, denn dann filmen wir dort.'" Es gehe Google schließlich nicht um die Menschen, sondern um die Karten.

Schwarze Löcher in den Häuserfronten

Der Screenshot on Google Street View zeigt die McAllister Street in San Francisco (Foto: picture-alliance/dpa)
Jeder kann auf den Bildern landen - die McAllister Street in San FranciscoBild: picture alliance/dpa

Um Bedenken zuvorzukommen, verwischt Google Gesichter und Nummernschilder automatisch, gibt aber zu, dass die Software nicht jedes Gesicht erkennt. Wer unverpixelte Gesichter bei Street View findet, solle diese deshalb an die Firma melden. Für Deutschland, wo der Widerstand besonders heftig ist, gibt es ein weiteres Zugeständnis: Hausbesitzer und Bewohner können verlangen, dass ihr Haus gelöscht wird. Die Stelle bleibt dann schwarz. Google überprüfe die Angaben nicht, sagt Arnd Haller, Leiter der Rechsabteilung. "Aber wenn jemand Dutzende, Hunderte oder Tausende Anträge stellt und behauptet, er würde überall wohnen, dann würde das sicherlich auffallen."

Mehrere Tausend Bewohner haben bei dem Konzern bereits verlangt, ihr Haus zu schwärzen. Google glaubt, dass es damit alle Datenschutz-Bedenken ausgeräumt habe. Eine Studie, die das Unternehmen bei der Universität Hannover in Auftrag gegeben hat, geht noch weiter. Nikolaus Forgo, Professor für Rechtsinformatik, glaubt, Street View sei gar kein Fall für den Datenschutz. "Es ist keine Personensuche", erklärt er. "Deshalb ist fraglich, ob hier überhaupt personenbezogene Daten verarbeitet werden."

Nicht für Politikerinnen

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger posiert am 15. Mai 2009 auf dem FDP Bundesparteitag in Hannover (Foto: AP)
Große Bedenken: Justizministerin Leutheusser-SchnarrenbergerBild: AP

Anders haben das in den letzten Monaten die Datenschutzbeauftragten gesehen und anders sieht es auch die deutsche Regierung. Sowohl Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner haben sich gegen den Dienst ausgesprochen. Google verletze millionenfach die Privatsphäre, hatte Aigner kürzlich in einem Interview gesagt.

Arnd Haller sieht das anders. Street View sei juristisch einwandfrei, deshalb sei es "relativ schwer, einem Unternehmen zu untersagen, diesen Dienst auch zu launchen". Schließlich sei Street View nicht "für Frau Aigner oder Frau Leutheusser-Schnarrenberger bestimmt, sondern für die breite Masse der Bevölkerung, die diesen Dienst gerne hätte." In anderen Ländern seien die Klickzahlen auch Wochen nach dem Start unverändert hoch.

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Nicole Scherschun