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Großer Protest

Spiros Moskovou10. Dezember 2008

Es ist nicht nur die Lust auf Gewalt, die die Jugendlichen in Athens Straßen und anderen Städten randalieren lässt. Sie protestieren vielmehr gegen die Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, meint Spiros Moskovou.

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Grafik Symbolbild für DW-Kommentare (Quelle: DW)
Bild: DW

Auch mitten im kältesten Winter meinen immer wieder deutsche Freunde wohlwollend: "Bei euch in Griechenland ist es bestimmt noch warm." Griechenland, ein immergrünes, sonniges Paradies? Sicher nicht!

Die griechische Schönwetteridylle bekommt in diesen Tagen dicke Risse: Der Tod eines 15-jährigen Schülers durch die Schüsse eines rabiaten Polizisten, die anschließenden Proteste tausender Schüler und Studenten im ganzen Land, die Krawalle von Anarchisten und zorniger Jugendlicher in einem Dutzend größerer Städte. Die Straßenschlachten, Zerstörungen und Plünderungen im Zentrum von Athen werfen ein trauriges Licht auf die ehemalige Wiege der Demokratie.

Zornige Sprösslinge des Mittelstands

Der DW-Experte Spiros Moskovou 2007 (Quelle: DW)
Spiros Moskovou

Wer demonstriert eigentlich gegen wen in Griechenland? Nur aufmüpfige Jugendliche gegen die polizeiliche Willkür? Anders als zum Beispiel in den Vororten von Paris sind die Träger der Revolte in Athen eher die Sprösslinge des Mittelstandes. Sie könnte man als die unbelasteten und sensibelsten Sensoren der Gesellschaft beschreiben. Und sie protestieren nun gegen die Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit.

Die autonome, anarchistische Szene, die immer nach solchen Anlässen wittert, liefert natürlich ihr Eigenes dazu. Und wem gelten die Früchte des Zorns? Dem gebeutelten Bildungswesen, dem skandalgeschüttelten politischen System im Lande, der dem Mammon anheim gefallenen offiziellen Kirche, der bürgerfeindlichen Polizei.

Finanzskandale und gescheiterte Reformen

Griechenland erlebt eine nie dagewesene Krise der Institutionen. Das Zweiparteiensystem wird als System empfunden, in dem sich die an der Macht Befindlichen - auf Kosten der Allgemeinheit - bereichern.

Die Kirche, bis vor ein paar Jahren eine unerschütterliche Instanz in der Gesellschaft, wird jüngst von Finanzskandalen überholt. Das Bildungswesen braucht dringend eine grundlegende Reform, an der die Regierungen der letzten Jahrzehnte basteln, aber immer wieder scheitern. Ein Grundgehalt zwischen 600 und 700 Euro im Monat ist letztendlich keine zufriedenstellende Perspektive für junge Menschen, schon gar nicht, wenn sie gut ausgebildet sind.

Wo ist die politische Alternative?

Da ist etwas faul im Staate Griechenland, schreien auf ihre Art und Weise die Demonstranten. Wird die politische Führung zuhören und Lösungen wenigstens ansatzweise einführen? Das ist eher fraglich. Die amtierende Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis verfügt nur über eine hauchdünne parlamentarische Mehrheit. Und es ist inzwischen mehr als deutlich, dass diese Mehrheit nicht imstande ist, die versprochene Wende und die "Neugründung des Staates" herbeizuführen.

Die oppositionelle Partei PASOK unter Giorgos Papandreou, die zuvor mehr als 20 Jahre die Regierung gebildet hatte, bietet keine realistische Alternative. Es scheint, als ob die Nachfahren der politischen Gurus Griechenlands, also der Neffe von Konstantinos Karamanlis und der Sohn von Andreas Papandreou, das Land nicht mehr aus der wirtschaftlichen und sozialen Krise führen können. Stallgeruch reicht nicht mehr, um Athen auszumisten.

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