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Empörung nach Straßenkrawallen in Frankreich

21. Oktober 2015

Brennende Autos, blockierte Gleise. Nach einem Streit mit der Justiz über eine Beerdigung eskaliert die Lage in der ostfranzösischen Provinz. Ein Polizei-Aufgebot rückt gegen Randalierer vor. Die Politik ist entsetzt.

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Brennende Autos nach Randale in Moirans (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ein verweigerter Freigang für einen Häftling hat in Ostfrankreich zu schweren Ausschreitungen geführt. Wütende Bewohner einer Roma-Wohnwagensiedlung randalierten am Bahnhof der Kleinstadt Moirans nahe Grenoble. Rund hundert mit Eisenstangen bewaffnete Bewohner der Siedlung, aus der auch der Gefangene stammt, besetzten den Bahnhof der Kleinstadt, verwüsteten die Umgebung, blockierten Bahngleise und eine Durchgangsstraße und steckten von einem Schrottplatz entwendete Autowracks in Brand. Der Zugverkehr musste unterbrochen werden. "Das ist eine Guerilla-Szene", beschrieb ein Zeuge die Ereignisse. Mehr als 120 Gendarmen und 100 Feuerwehrleute kamen zum Einsatz, erst nach mehreren Stunden war die Situation unter Kontrolle. Festnahmen gab es aber zunächst keine.

Die Bilder aus dem 8000 Einwohner zählenden Moirans sorgten in Frankreich für Empörung, Medien sprachen von "Bürgerkriegs-Szenen". Premierminister Manuel Valls verurteilte die "inakzeptable Gewalt" und kündigte ein hartes Vorgehen an. Innenminister Bernard Cazeneuve kritisierte die "nicht hinnehmbaren Ausschreitungen". Justizministerin Christiane Taubira erklärte, die Vorfälle seien unerträglich, weil sie die republikanische Ordnung gefährdeten. "Wir sind in einer Demokratie, und es ist kein Leben in einer Demokratie möglich, wenn eine Justizentscheidung mit Gewalt infrage gestellt wird", sagte Taubira.

Meuterei im Gefängnis

Anlass für den Gewaltausbruch war die Weigerung der Justiz, einem Häftling, dessen Bruder am Wochenende bei einem Unfall in einem gestohlenen Auto ums Leben gekommen war, Freigang für die Beerdigung zu gewähren. In dem Gefängnis im nahe gelegenen Aiton, in dem der Bruder des Toten wegen bewaffneten Raubs eine Haftstrafe absitzt, kam es am Dienstag zeitgleich zu der Gewalt in Moirans zu einer Meuterei. Rund 20 Häftlinge legten Feuer. "Sie haben alles zerschlagen", sagte ein Aufseher der Zeitung "Le Dauphiné Libéré". "Sie haben Mülleimer in Brand gesteckt, Schlösser verstopft." Aus der Großstadt Lyon wurde eine Sondereinheit, die auf Einsätze in Gefängnissen spezialisiert ist, in die Haftanstalt geschickt. Am Abend beruhigte sich die Lage.

"Es war nicht das Ziel, dass es so weit kommt. Aber das war die einzige Möglichkeit, dass man mich anhört", sagte die Mutter der Brüder zu Journalisten. Sie betonte, es habe keine Gewalt gegeben - denn die angezündeten Autos stammten von einem Schrottplatz. Sie habe darum gebeten, dass ihr Sohn mit einer Eskorte das Gefängnis verlassen könne, "wenn nötig selbst mit Kugeln am Bein".

Die Lage in Moirans war am Mittwoch zunächst ruhig, aber angespannt. Die rund 200 Polizisten seien "auf alle Eventualitäten vorbereitet", sagte ein Rathausvertreter. Der zuständige Präfekt Jean-Paul Bonnetain sagte: "Die Ruhe ist wieder eingekehrt, aber wir bleiben in maximaler Alarmbereitschaft, um die Situation zu verfolgen."

Berufungsgericht bleibt standfest

Das Berufungsgericht der Alpenstadt Chambéry bestätigte am Morgen, dass der 24-jährige Häftling keinen Freigang bekommt. Später lehnte eine Richterin in Albertville einen zweiten Antrag für einen Freigang mit polizeilicher Begleitung ab. Die Staatsanwaltschaft begründete das unter anderem damit, dass der junge Mann erst vor kurzem einen Mithäftling attackiert hatte. Die Mutter der Toten kündigte daraufhin an, ihren Sohn vorerst nicht beerdigen zu wollen. "Ich lasse den Sarg meines Sohnes hierher bringen. Und er wird erst bewegt, wenn mein anderer Sohn kommen kann."

Die Ausschreitungen in Moirans erinnern an einen ähnlichen Vorfall Ende August in Nordfrankreich: Dort hatten ebenfalls Bewohner einer Wohnwagensiedlung eine Autobahn blockiert, um einen Freigang für einen Häftling zu erzwingen, der zu einer Beerdigung wollte.

kle/sti (afp, dpa, ape)