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Strafe muss sein

29. April 2003

1,4 Milliarden Dollar wegen arglistiger Täuschung - diese Summe müssen die zehn größten Investmentbanken an die US-Börsenaufsicht zahlen. Das ist die höchste Einzelstrafe, die bisher an der Wall Street verhängt wurde.

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Erfolg für die Fahnder der US-Börsenaufsicht SEC

Wall-Street-Staranalyst Jack Grubman hatte 1999 ganz andere Sorgen, als gute Ratschläge an Anleger zu verteilen. Wie schafft man es, Plätze für die Sprösslinge im exklusivsten Kindergarten Manhattans zu ergattern? Grubman schaltete seinen Boss, Citibank-Chef Sanford Weill ein, der eine Millionenspende für die "92nd Street Y"-Krippe springen ließ. Die Kleinen bekamen die Plätze. Im Gegenzug kam Grubman seinem Chef, der in einem privaten Machtkampf Unterstützung brauchte, mit einer Kaufempfehlung für Aktien des Telekummunikationskonzerns AT&T entgegen. Nach erfolgtem Deal kehrte Grubman zu seinem ursprünglichen Rat, die Aktien abzustoßen, zurück.

Fast anderthalb Milliarden US-Dollar Strafe

Alle Vorwürfe sind belegt in E-Mails, die der New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer im bislang größten Skandal um Aktienempfehlungen an der New Yorker Börse Wall Street zu Tage förderte. Zusammen mit der US-Wertpapier- und Börsenkommission (Securities and Exchange Commission - SEC) und anderen Ermittlern sitzt Spitzer den an der Wall Street tätigen Firmen seit fast zwei Jahren im Nacken.

Zehn Investmentbanken haben für ihre Schwindel jetzt tief in die Tasche greifen müssen: Die Firmen - darunter Credit Suisse First Boston, UBS Warburg, Goldman, Sachs & Co. und Citigroup Global Markets – müssen 1,4 Milliarden US-Dollar (1,27 Milliarden Euro) zahlen, teilte die SEC am Montagabend (26. April 2003) in Washington mit. Die Zahlung ist Ergebnis eines gerichtlichen Vergleichs und umfasst Strafen und Rückzahlungen von unlauter erworbenen Gewinnen von insgesamt 875 Millionen Dollar. 432,5 Millionen Dollar müssen für unabhängige Wertpapieranalysen bereitgestellt werden, 80 Millionen für ein neues Aufklärungsprogramm für Investoren. Die SEC hält fest, dass das Geld nicht von der Steuer abzusetzen ist.

Radikaler Umbau der Geschäftsabläufe

Die SEC zwang die Firmen, ihr Investment- und Wertpapiergeschäft klar zu trennen. Wertpapieranalysten und Investmentbanker müssen in Zukunft völlig unabhängig voneinander arbeiten. Bei Kontakten zwischen den Abteilungen muss eine unabhängige Aufsicht anwesend sein. Die Analysten dürfen an Bewerbungen um Investmentbankgeschäften nicht beteiligt sein. Zudem müssen die Firmen ihre hausinternen Wertpapieranalysen um unabhängige Einschätzungen von externen Experten ergänzen. Die Empfehlungen der Analysten müssen vollständig veröffentlicht werden. Die Firmen dürfen auch Unternehmensmanagern und Aufsichtsratsmitgliedern bei Erstausgaben keine Aktien mehr zukommen lassen. Die SEC ist überzeugt, dass die Banken zur Sicherung lukrativer Geschäfte für ihre Investmentbank-Abteilungen Kleinanleger zu Zeiten des Börsenbooms Ende der 90er Jahre mit dubiosen Aktienempfehlungen hinters Licht geführt haben.

Auch private Klagen anhängig

Die Exzesse passierten in den beispiellosen Boomjahren an den Aktienbörsen, als die Ersparnisse der Kleinanleger mit nie gekannten Wachstumsraten explodierten, und die Analysten mit fetten Bonus-Schecks absahnten. Mit dem dramatischen Kursverfall ist das schnelle Geld bei vielen Anlegern auf ein Nichts geschmolzen, die Enttäuschung ist mindestens so groß wie der Wunsch nach Rache. Seit März 2000 hat die dramatische Wall-Street-Flaute die Investoren rund sieben Billionen Dollar gekostet. Jetzt drohen auch noch private Klagen. "Die Investoren sind bis heute schwer enttäuscht, dass Einzelpersonen nicht zur Rechenschaft gezogen worden sind", sagte Anwalt Mark Raymond der US-Zeitung "Wall Street Journal". Branchenkenner halten es nicht für ausgeschlossen, dass geprellte Anleger vor Gericht noch mehrere Milliarden Dollar erstreiten könnten. Zahlreiche Sammelklagen von Anlegern gegen einzelne Analysten und Firmen liegen bereits vor, und sind von dem jetzigen Vergleich unberührt. (arn)