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Stipendien für Studienabbrecher

Thomas Wagner15. Juli 2013

Studienabbrecher sind Loser? Von wegen. Die private Zeppelin-Universität in Friedrichshafen fördert Querdenker und Quereinsteiger mit einem deutschlandweit einzigartigen Stipendium.

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Geldscheine in der Summe von 80 Euro stecken zwischen Büchern in einem Regal (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat hingeschmissen. Ebenso Bill Gates und der deutsche Fernsehmoderator Günter Jauch. Allen ist eines gemeinsam: Obwohl sie ihr Studium nicht abgeschlossen haben, können sie auf eine Bilderbuch-Karriere verweisen. "Manche wissen erst nach dem Abbruch, was sie eigentlich wollen, und gehen viel effizienter an ihre Aufgaben heran", erklärt Tim Göbel von der privaten Zeppelin-Universität (ZU) in Friedrichshafen. Die Hochschule stellt seit Anfang dieses Jahres spezielle Stipendien für Studienabbrecher bereit, sogenannte "Diversitätsstipendien".

Billy Contreras ist ein klassischer Studienabbrecher und profitiert von dem Ansinnen der Zeppelin-Universität. Nach dem Abitur hat der junge Mann angefangen, Betriebswirtschaft an der Hochschule Pforzheim zu studieren. Allerdings nur zwei Semester. Dann hat er das Handtuch geschmissen. "Ich bin mein Studium effizient und mit dem nötigen Ernst angegangen", erinnert sich der junge Mann aus dem thüringischen Gotha, "aber ich habe schnell erkannt, dass es nichts für mich ist."

Eine Studentin und ein Student in der Bibliothek der Zeppelin Universität (Foto: Zeppelin Universität)
Wer in den Genuss eines Stipendiums kommt, dem werden die 30.000 Euro für das Bachelor-Studium an der privaten ZU erlassenBild: ZU/Ilja Mess

Erster Studienabbrecher-Stipendiat

Nach dem Studienabbruch hat Billy Contreras sich im Internet nach Alternativ-Angeboten umgeschaut. Etwas mit Kultur sollte es sein. Irgendwann blieb er auf der Website der privaten Zeppelin-Universität Friedrichshafen hängen – und konnte erst gar nicht glauben, was er da las: Die Hochschule am Bodensee schrieb deutschlandweit erstmalig ein Stipendium gezielt für Studienabbrecher aus. Der junge Mann aus dem Thüringischen bewarb sich – und wurde angenommen, als erster Stipendiat dieser Art überhaupt. "Mir war klar, dass das Stipendium meinen Start sehr erleichtern würde."

Weil die Zeppelin-Universität Friedrichshafen eine private Hochschule ist, muss sie sich weitgehend über Studiengebühren finanzieren: Rund 30.000 Euro fallen für ein vierjährige Bachelor-Studium an, kein Pappenstil für junge Menschen wie Contreras. Der allerdings hat Glück: Denn wer in den Genuss eines "Abbrecher-Stipendiums" gelangt, bekommt die Studiengebühren komplett erlassen.

Ein verglaster Neubau auf dem Campus der Zeppelin Universität in Friedrichshafen (Foto: Zeppelin Universität)
Seit Anfang dieses Jahres fördert die Zeppelin-Universität StudienabbrecherBild: ZU/Ilja Mess

Die Universität kann von den Studienabbrechern profitieren

Das ist allerdings mehr als eine soziale Wohltat der privaten Hochschule am Bodensee, die im zehnten Jahr ihres Bestehens knapp über 1000 Studierende zählt. Hier betrachtet man das als Win-win-Situation: Von denjenigen, die es woanders schon einmal versucht haben, könne man durchaus profitieren, erklärt Tim Göbel, Mitglied des ZU-Präsidiums. Er und die Bildungsexperten der ZU hätten die Erfahrung gemacht, dass gerade Studienabbrecher über ein hohes Maß an Sozialkompetenz verfügten und überdurchschnittlich viel Erfahrung aus dem Arbeitsleben einbrächten. Manche hätten bereits gejobbt und ihr Studium nur deshalb abgebrochen, weil sie Arbeit und Studium nicht mehr unter einen Hut bringen konnten.

Und noch eines hat sich an der ZU herumgesprochen: Wer im zweiten Anlauf ein Studium beginnt, geht viel effizienter an Vorlesungen, Seminare und Hausarbeiten heran als bei im Erststudium. "Und davon können die anderen lernen", so Göbel.

Gegen den Strom schwimmen

Hinzu komme ein bildungspolitischer Akzent, den die Zeppelin-Universität ganz bewusst setze. In Deutschland machen viele Schüler inzwischen schon mit 17 Jahren das Abitur und sind dann beim Studienabschluss erst Anfang 20. Fürs Hochschulleben mache es sich aber gut, wenn auch Studierende mit einer größeren Lebenserfahrung ihre Anregungen und Denkweisen in den Hochschulalltag mit einbringen, mein Tim Göbel. Die private Hochschule am Bodensee bemüht sich also auch um jene, die gegen den Strom schwimmen und das Klischee des typischen Karriere-Studierenden gerade nicht erfüllen.

Demnächst auch Stipendien für Sitzenbleiber

Dazu gehören nicht nur die Studienabbrecher: Für das kommende Wintersemester erweitert die Zeppelin-Universität die Gruppen möglicher Stipendiaten: Sitzenbleiber in der Schule gehören dazu, Jung-Unternehmer nach ihrer ersten Insolvenz, ja sogar Legastheniker und solche, die bereits über 30 Jahre alt sind. Zukünftig sollen zwölf solcher Stipendien pro Semester vergeben werden. Macht die Hochschule das alles vielleicht nur der Publicity wegen? Nein, sagt Tim Göbel. So will der das Stipendium nicht verstanden wissen. "Dieses Konzept hat bei uns Bestand."

Neidgefühle bei den anderen Studenten?

Kommen da nicht Neidgefühle bei den übrigen Studierenden auf, die die vollen Gebühren bezahlen? Offenbar nicht, viele der Studierenden erhoffen sich tatsächlich eine Bereicherung durch die Studienabbrecher, Sitzenbleiber, Legastheniker mit Lese- Rechtschreibschwäche und Jung-Pleitiers, die demnächst mit ihnen im Seminarraum sitzen werden. "Eine Persönlichkeit formt sich auch aus negativen Erfahrungen. Und von denen, die daraus gestärkt hervorgehen, kann man wirklich noch was lernen – eine Super-Sache!", betont Simon Detlefsen, der an der ZU Wirtschaftswissenschaften im zweiten Semester studiert. "Wir haben hier an der ZU gerne Leute, die anders arbeiten, anders denken, auch mal querschießen vielleicht", meint Katharina Große, die in Friedrichshafen in Politik- und Verwaltungswissenschaften promoviert.

Studierende der Zeppelin Universität sitzen an Tischen auf dem Außengelände der Universität (Foto: Zeppelin Universität)
Unter den befragten Studierenden an der Zeppelin-Universität erhält das Stipendium ein positives EchoBild: ZU/Ilja Mess