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Stimmungstest mit begrenzter Aussagekraft

Heinz Dylong21. April 2002

Sachsen-Anhalt hat einen neuen Landtag gewählt. Und das Ergebnis ist eindeutig: Die bislang regierende SPD erlitt eine schwere Niederlage, CDU und FDP errangen einen deutlichen Wahlsieg. Heinz Dylong kommentiert.

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Die Würfel sind gefallen, das Land Sachsen-Anhalt hat einen neuen Landtag gewählt und die Weichen klar in Richtung einer CDU/FDP-Regierungskoalition gestellt. Anders ist das Ergebnis nicht zu interpretieren. Dramatische Verluste der SPD, ein kräftiger Zugewinn der CDU und ein hervorragendes Abschneiden der FDP drücken den Wählerwillen klar aus.

Dass die PDS nach wie vor auf etwa ein Fünftel der Stimmen kommt, liegt im Durchschnitt der neuen Bundesländer. Es zeigt im konkreten Fall Sachsen-Anhalts aber vor allem, dass das Tolerierungsmodell - die SPD-Minderheitsregierung war von den Stimmen der PDS abhängig - den Sozialdemokraten nichts eingebracht hat. Mehr noch, dass die PDS die SPD sogar überholt hat, macht die Ohrfeige für die Sozialdemokraten noch etwas schmerzhafter.

Die großen wirtschaftlichen Probleme Sachsen-Anhalts wurden von der SPD nicht gelöst. Das Land hat bei den wichtigsten Indikatoren - etwa der Arbeitslosigkeit - die bundesweit schlechtesten Zahlen. Dafür mag es auch objektive strukturelle Gründe im Land geben. Doch für die Wähler ist das egal, sie setzen auf den Wechsel, mit dem sich jedenfalls die Hoffnung des Neuen verbindet. Demzufolge war es mehr die unübersehbare Schwäche der SPD als die Stärke von CDU und FDP, die das Ergebnis erklärt.

Von den Grünen braucht man demgegenüber gar nicht zu reden. Sie haben den Sprung in den Landtag abermals deutlich verpasst. Das Politikangebot der Partei ist für die Bürger der neuen Bundesländer schlicht nicht attraktiv. Und in der Tat: Reduziert man die Grünen auf ihren ökologischen und alternativen Kern, dann ist das für Menschen in wirtschaftlich gebeutelten Regionen eindeutig zu wenig.

Erfreulich ist, dass die rechtsextreme DVU aus dem Parteienspektrum Sachsen-Anhalts verschwunden ist. Sie ist gar nicht mehr zur Wahl angetreten. 1994 hatte sie fast 13 Prozent errungen. Diese Wähler wurden auch nicht von der rechtspopulistischen Schill-Partei angezogen. Die einfachen Antworten auf komplizierte Fragen verfangen eben nicht immer.

Natürlich richtet sich der Blick angesichts dieser Landtagswahl in Sachsen-Anhalt auch auf den Bund. Von einem letzten Stimmungstest vor der Bundestagswahl am 22. September war vielfach die Rede. Da ist was dran, doch die Aussagekraft dieses Tests ist nur sehr begrenzt.

In Sachsen-Anhalt gab es eine Wechselstimmung, ein Bedürfnis nach dem Neuanfang. Davon kann auf Bundesebene trotz schlechter Umfrageergebnisse für die SPD derzeit keine Rede sein. Bundeskanzler Gerhard Schröder wird auch angesichts des SPD-Desasters in Sachsen-Anhalt Gelassenheit demonstrieren. Das ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Schon allein, weil er persönlich an Ansehen und Popularität ein ganz anderes Gewicht auf die Waage bringt, als es sein Parteifreund Reinhard Höppner, der bisherige Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, in seinem Land je vermochte.

Und dennoch wird diese Landtagswahl bundespolitische Wirkungen haben. CDU/CSU und FDP werden an Schwung gewinnen, die Mobilisierung der eigenen Wähler ist naturgemäß leichter, wenn man auf Sieg setzen kann. Dass sich der Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber den Sieg der CDU in Sachsen-Anhalt an die eigene Brust heftet, ist verständlich, angesichts der Gesamtkonstellation in diesem Bundesland aber übertrieben. Über den Ausgang der Bundestagswahl sagt der Ausgang der Landtagswahl weniger, als es sich die Union wünscht.