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Stillstand auf Autobahnen

Karin Jäger7. August 2012

Vor und nach der Arbeit im Stau stehen: Das gehört zum Alltag Millionen Berufstätiger. In den Sommerferien sollte das anders sein. Aber auch in der arbeitsfreien Zeit machen Baustellen das Vorwärtskommen schwer.

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Fahrzeuge fahren an einer Baustelle auf der Autobahn vorbei. (Foto: Winfried Rothermel/dapd)
Autobahn BaustelleBild: dapd

Die Koffer sind gepackt und im Auto verstaut. Mit Vorfreude geht es los, in Gedanken längst am Zielort. Doch schon nach wenigen Kilometern auf der Autobahn blicken Fahrer und Beifahrer auf rote Rück- und Bremslichter: Nichts geht mehr, weil alle vor einer Baustelle im Stau stehen. Das ist allerdings kein reines Ferienphänomen. "Zugegeben, wir haben mehr Baustellen in diesem Jahr als zuvor, trotzdem sind es weniger als im Frühjahr und im Herbst", sagt Otto Saalmann vom Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC).

Die deutschen Schnellstraßen seien in die Jahre gekommen, so der Verkehrs-Experte im Gespräch mit der Deutschen Welle. Wo viel gefahren wird, entstehen auch entsprechende Schäden: Durch Abnutzung von Reifen, Streusalz im Winter und die Witterung nutzen sich Fahrbahndecken ab. "Rund alle zehn Jahre müssen die Beläge erneuert werden. Schlaglöcher wurden immer nur notdürftig geflickt. Irgendwann muss die gesamte Fahrbahndecke asphaltiert werden", mahnt Saalmann verkehrspolitische  Versäumnisse an.  Aber auch die Schwertransporte hinterlassen ihre Spuren. Ein einziger Lastkraftwagen (LKW) richtet im Vergleich soviel Schaden an wie 22.000 Personenkraftwagen (PKW). Ein weiterer Grund für die Vielzahl an Baustellen: der Ausbau der Autobahnen. Der ist aus ADAC-Sicht auch dringend nötig. Um die steigende Verkehrsflut aufzunehmen, müssten bis 2015 rund 1000 Autobahnkilometer angelegt werden, fordert der Verkehrsclub. 

Otto Saalmann, Presseservice, Öffentlichkeistarbeit ADAC Hörfunk (Foto: ADAC) Quelle: http://www.adac.de/sp/presse/_mmm/jpg/saalmann_15_110784.jpg
ADAC-Sprecher Otto SaalmannBild: adac

Neuralgische Strecken und Nadelöhre

Das gilt nicht für die Strecken, auf denen sich an zwölf Wochenenden pro Sommer der Ferienreiseverkehr anstaut. Zu den klassischen Reiseautobahnen zählen die A1 zwischen Köln, Hamburg und Lübeck, die A7 zwischen Hamburg und Flensburg, die A3 Frankfurt-Würzburg, die A8 Karlsruhe-Stuttgart und zwischen München und Salzburg.  

Im Stau sind alle gleich

Besonders frequentiert sind die Berliner Stadtautobahn 100, die Ost-West-Tangente A2 und die Autobahn 3. Allein in den A3-Abschnitten zwischen Düsseldorf und Köln wälzen sich täglich bis zu 160.000 Fahrzeugen lang. Obwohl Teilstrecken teilweise bis auf vier Spuren pro Richtung ausgebaut sind, schleichen Berufspendler, Urlauber und LKW-Fahrer neben- und hintereinander im Schneckentempo voran. Die Blechlawine türmt sich auf 135.000 Kilometer Länge pro Jahr. Ein Gutachten des nordrhein-westfälischen Verkehrsministeriums ergab, dass die Hälfte aller Beeinträchtigungen an Baustellen entstehen.

Dicht gedrängt stehen Fahrzeuge im Stau. (Foto: Matthias Schrader/ddp)
Ferienbeginn auf der AutobahnBild: AP
Lastwagen stehen bei Schnee auf der A 45 bei Siegen im Stau. (Foto: Oliver Berg dpa)
Winter-Stau auf der A45Bild: picture alliance / dpa

Und ein Ende ist nicht in Sicht. Verkehrsexperten sagen voraus, dass sich noch mehr Fahrzeuge auf den Schnellstraßen tummeln werden. Besonders die Zahl der LKW, die heute zehn Prozent der Fahrzeuge auf Autobahnen ausmachen, wird steigen - und damit auch die Zeiten der Reparaturen und des Stillstands. Neue Konzepte sind gefragt, denn Politiker und Verkehrsplaner wissen, dass Deutschland als Wirtschaftsstandort und Transitland über ein gut ausgebautes Straßennetz verfügen muss.

Pilotprojekt autofreie Autobahn

Für notwendige Bauarbeiten an der A40, dem sogenannten Ruhrschnellweg, haben die zuständigen Behörden jetzt sogar ein Experiment gewagt. Sie haben den Streckenabschnitt bei Essen, auf dem täglich 80.000 Autos rollen, für drei Monate komplett gesperrt. Rund um die Uhr soll bis 30. September gearbeitet werden. Das neue Arbeitsmodell soll Zeit und Millionen Euro sparen. Würde diese Autobahn nur in Abschnitten und halbseitig gesperrt, müssten die Autofahrer zwei Jahre lang mit Beeinträchtigungen rechnen. Dafür müssen jetzt täglich bis zu 100.000 Fahrzeuge auf kleinere Straßen, quer durch die Essener Innenstadt, umgeleitet werden.

Rote Lichtspuren auf der A5 bei Frankfurt. (Foto: Julian Stratenschulte/ dpa)
Nachtfahrt statt SchlafstattBild: picture-alliance/dpa

Die zuständige Baubehörde "Straßen.NRW" hat dort die Ampelphasen neu programmiert und 260 Hinweisschilder mit Alternativrouten aufgestellt. Zu größeren Störungen ist es bisher nicht gekommen.

Beschwerden über "Schlafbaustellen"

Die Vollsperrung der A 40 könnte Modellcharakter haben, zur Zufriedenheit von Autofahrern und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Der CSU-Politiker hatte nämlich ein Meldesystem für Beschwerden eingerichtet. Die meisten Klagen der Anrufer bezogen sich auf "Schlafbaustellen", wo zeitweise kaum oder gar nicht gearbeitet wird. Ramsauer lässt die Hinweise an die zuständigen Landesregierungen weiterleiten. Damit will er ein "effektives Baustellenmanagement" schaffen.

Staufrei durch Datenerfassung und -steuerung

Zukunftsmusik ist die Car2X-Kommunikation, bei der die Autos mit Ampeln vernetzt sind. Bei ansteigendem Verkehr werden die Daten an die Fahrzeuge weitergeleitet. Wie ferngesteuerte Schwärme sollen die Autofahrer dann dem Nadelöhr ausweichen oder die Geschwindigkeit anpassen. Kleine technische Hilfsmittel können heute schon helfen, Staus zu verhindern. Allerdings müssten Autofahrer den Hinweisen durch entsprechende Apps auf dem Smartphone auch vertrauen oder der Stimme aus dem Navigationssystem folgen, die so eindringlich bittet: "Bei der nächsten Abfahrt rechts abbiegen. Jetzt rechts abbiegen."

Staus werden heute nicht nur durch Staumelder sowie Hubschrauber von Polizei und ADAC erkannt: Induktionsschleifen im Straßenbelag oder Detektoren am Straßenrand melden das Verkehrsaufkommen den Leitstellen.

Das richtige Timing ist auch oft entscheidend für eine gute und störungsfreie Fahrt, denn hohes Verkehrsaufkommen ist die primäre Ursache für einen Stau. Antizyklisch wie nachts in Urlaub zu fahren ist allerdings nicht jedermanns Sache.

Wer Blechansammlungen liebt und sämtliche Baustellen auf Deutschlands Fernstraßen einmal abfahren möchte, dürfte während der Ferienzeit ausgelastet sein: 544 Streckenabschnitte sind nach Angaben des Auto Clubs Europa (ACE) zeitweise gesperrt oder eingeschränkt befahrbar. Und wer dabei in einen Stau gerät, hat Zeit zu grübeln, wo der Bundesfinanzminister die 53 Milliarden Euro anlegt, die Autofahrer durch Steuern und Abgaben jährlich an den Staat zahlen. Denn nur ein Drittel der Summe wird in die Infrastruktur von Deutschlands Straßen investiert.

Hinweisschild "Wir danken für Ihr Verständnis" am Ende einer Baustelle. Quelle: http://www.adac.de/sp/presse/_mmm/jpg/saalmann_15_110784.jpg
Es ist geschafftBild: picture-alliance/ dpa