1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Stichwort: Rasterfahndung

1. Oktober 2001

Mit der Rasterfahndung wird ein Instrument aus den siebziger Jahren reaktiviert - Datenschützer bleiben skeptisch.

https://p.dw.com/p/19Q5

Die Erwartungen an die Rasterfahndung sind hoch: Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hält sie für "sehr erfolgsträchtig" und möchte sie europaweit einführen. Sein Kollege Fritz Behrens (SPD) - Chef des nordrhein-westfälischen Innenressorts - will damit "wirksam und zielgenau mögliche Schläfer aus dem Netzwerk von Bin Laden aufspüren". Und das CSU-regierte Bundesland Bayern hat seit jeher für die verstärkte Anwendung dieser Fahndungsmethode plädiert.

Bei der Rasterfahndung werden mit Hilfe von Computerdaten größere Personengruppen auf bestimmte Merkmale untersucht. Grundlage sind allerdings nicht kriminalistische Datenbanken, sondern Informationen von Einwohnermeldeämtern, Universitäten, Krankenkassen, anderen öffentlichen Einrichtungen, Ausländerbehörden und Stromversorgungswerken. Durch Datenabgleich nach bestimmten Gesichtspunkten können riesige Personengruppen überprüft, dabei allerdings auch sehr viele Unbeteiligte erfasst werden. Der zunächst große Bestand an Informationen wird durch negativen Abgleich immer weiter verringert, am Ende bleibt dann ein gewisser "Bodensatz", der von den Ermittlern aufgeklärt werden soll.

Die rechtliche Grundlage ist der Paragraph 98a der Strafprozessordnung. Wenn Straftaten von "erheblicher Bedeutung" begangen wurden und ein konkreter Verdacht besteht, dürfen danach die Daten abgeglichen werden. Die Fahndung ist an Auflagen geknüpft, die jeweiligen Rasterkriterien werden von Fall zu Fall entschieden.

Ab dem 1. Oktober kann sie bundesweit angewendet werden - die Innenminister von Bund und Ländern haben sich auf einen einheitlichen Kriterienkatalog verständigt. Es geht um Personen mit "mutmaßlich islamischer Religionszugehörigkeit" und vermutlich legalem Aufenthaltsstatus. An den Universitäten soll nun beispielsweise konkret nach jungen Männern islamischen Glaubens im Alter zwischen 20 und 35 Jahren gesucht werden, die technische oder naturwissenschaftliche Fächer studieren, legal in Deutschland leben und strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten sind.

Nicht betroffen sind vorerst die Länder Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Dort müssen erst noch die rechtlichen Voraussetzungen für die Rasterfahndung geschaffen werden.

Die Rasterfahndung wurde Mitte der siebziger Jahre im Kampf gegen den Terrorismus der "Rote Armee Fraktion" entwickelt. Datenschützer stehen ihr misstrauisch gegenüber. Die Erfolge seien nur mäßig, heißt es, zu viele Unbeteiligte würden erfasst, es würden regelrechte Berge von "Datenmüll" produziert, für die Auswertung stünden nicht genügend professionelle Kräfte zur Verfügung. Zudem seien die Kriterien oft zu grobmaschig. Der Republikanische Anwaltsverein befürchtet "schwerwiegende Eingriffe in Individualrechte". Zudem würden Vorurteile gegen arabisch-stämmige Menschen geschürt. Die Gewerkschaft der Polizei sowie der Bund deutscher Kriminalbeamter sind dagegen wie die Innenminister davon überzeugt, daß die Rasterfahndung zusätzliche Ermittlungserfolge im Kampf gegen den Terrorismus bringt.