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Glaube

30. November 2017

„Alle Knospen springen auf“: Wer in diesen Tagen einen Kirschbaumzweig in die Vase stellt, wird ihn Weihnachten blühen sehen. Christian Feldmann von der katholischen Kirche über die heilige Barbara und das Brauchtum.

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Zweig Blüten Vase
Wer am 4. Dezember Zweige von einem Obstbaum schneidet und sie bei sich im Haus in eine Vase stellt, der darf damit rechnen, dass die Obstzweige an Weihnachten erblühen. Bild: Pezibear/pixabay.com

Was haben ein Koch und ein Artillerist gemeinsam, ein Architekt, ein Bergmann – und ein Sterbender? Dieselbe Patronin haben sie, merkwürdigerweise, die heilige Barbara, deren Fest immer am 4. Dezember, gefeiert wird. Dass sie so unterschiedliche Menschen als himmlische Helferin verehrt haben, deutet darauf hin, wie beliebt Barbara einmal im christlichen Heiligenhimmel gewesen ist.

Zumal ihr Kult uralte, vorchristliche Wurzeln besitzt: Wer am Barbaratag Zweige vom Kirschbaum oder vom Forsythienstrauch ins Wasser stellt, damit sie am Heiligen Abend blühen, führt damit einen archaischen Fruchtbarkeitsbrauch fort. Ursprünglich wurden die Zweige geschnitten, wenn der Weidebetrieb zu Ende war; wenn sie dann in Stall oder Stube blühten, bedeutete das Segen für das nächste Jahr. Erst im 15. Jahrhundert verband sich die alte Sitte mit Weihnachten.

Der Barbarazweig erblüht zu Weihnachten

Noch um 1900 ersetzten die Barbarazweige – mit buntem Zuckerwerk geschmückt – in ländlichen Gegenden Süddeutschlands den als „preußisch“ verschrienen Christbaum. Es gab sogar einen richtigen „Barbarabaum“, eine junge Kastanie, Kirsche, Ulme oder Birke, die Anfang Dezember in einen Wasserkübel gestellt wurde und bis Weihnachten austrieb. Solche Prachtbäume reichten oft bis zur Decke!

Das Barbara-Brauchtum trieb und treibt freilich bisweilen auch seltsame Blüten: Weil sie als Schutzpatronin der Pioniere, Artilleristen und Mineure gilt, gibt es an ihrem Festtag in vielen Bundeswehr-Kasernen zünftige Gelage mit nicht immer frommen Liedern, bisweilen sogar mit einem kleinen Feuerwerk. Obwohl die Feier einer Frau gewidmet ist, dürfen Damen daran in der Regel nicht teilnehmen. Deshalb spielt ein verkleideter Soldat die heilige Barbara und wird mit großen Ehren empfangen.

Schlichter, leiser, dafür aber viel spiritueller wird in Kirchengemeinden oder im Religionsunterricht gefeiert. Da singt man auch Lieder, aber solche, die nachdenklich stimmen. Lieder auf die Barbarazweige:

 

„Alle Knospen springen auf,
fangen an zu blühen.
Alle Nächte werden hell,
fangen an zu glühen. (…)

Alle Augen springen auf,
fangen an zu sehen.
Alle Lahmen stehen auf,
fangen an zu gehen.“1

Alle Menschen auf der Welt
fangen an zu teilen.
Alle Wunden nah und fern
fangen an zu heilen. (…)

 

Schön, nicht wahr? Oder es werden Gedichte vorgelesen wie dieses in Form eines Gebets:
 

„Liebe Barbara,
von dir wissen wir nur sehr wenig,
aber doch das Wichtigste:
Du bist gestorben für Jesus.

Auch unser Leben ist ein Sterben.
Aber in der Liebe entsteht Neues,
Ewiges, Blühendes:
unser wahres Weihnachten.

Sei uns nahe,
wenn die Kälte uns bedrückt
und der Winter uns bedroht.
Gib uns Menschen,
die uns Wärme schenken,
die in den Knospen unseres Bemühens
das Blühen erkennen,
in den oft kahlen Zweigen unseres Alltags
die verborgene Freude.“2

Der eigene Vater bringt sie vor Gericht

Und wer war diese sagenhafte Barbara? Der Legende nach eine Märtyrerin, schön und hochintelligent, die der eigene Vater aus Wut über ihr Bekenntnis enthauptet haben soll, und zwar während der Christenverfolgung unter Diokletian um 306. Damals galt es als Verbrechen und als Majestätsbeleidigung, ein Christ zu sein. Der eigene Vater soll sie vor Gericht gebracht haben, weil er als Kaufmann um seinen guten Ruf und seine Geschäftsbeziehungen fürchtete. So ungewöhnlich ist so eine Christenverfolgung nicht, das Christentum ist heute weltweit die Religion mit den meisten Inhaftierten, Gefolterten und Märtyrern.

Barbara wird gern mit einem Turm dargestellt, weil sie nach der Legende vom Vater dort gefangen gehalten wurde. In der Schar der 14 heiligen Nothelfer gilt sie als Fürsprecherin in der Sterbestunde und als Schützerin vor einem unvorhergesehenen Tod.

1 „Alle Knospen springen auf“, Liedtext: Wilhelm Willms, in: Evangelisches Gesangbuch Nr. 633.
2 Wolfgang Bader, „Barbara“, in: Wolfgang Bader, Gedanken zum Advent. Verlag Neue Stadt, München 1989.

Bildunterzeile/Fotorechte
Barbara-Zweige: Wer am 4. Dezember Zweige von einem Obstbaum schneidet und sie bei sich im Haus in eine Vase stellt, der darf damit rechnen, dass die Obstzweige an Weihnachten erblühen.  Foto: Pezibear [Creative Commons CC0]/pixabay.com

Christian Feldmann, Buch- und Rundfunkautor, wurde 1950 in Regensburg geboren, wo er Theologie (u. a. bei Joseph Ratzinger) und Soziologie studierte. Zunächst arbeitete er als freier Journalist und Korrespondent, u. a. für die Süddeutsche Zeitung und arbeitete am „Credo“-Projekt des Bayerischen Fernsehens mit. In letzter Zeit befasst er sich mit religionswissenschaftlichen und zeitgeschichtlichen Themen. Zudem hat er bisher 51 Bücher publiziert. Dabei portraitiert er besonders gern klassische Heilige und fromme Querköpfe aus Christentum und Judentum. Feldmann lebt und arbeitet in Regensburg