Deutsche China-Ausstellung: Besucherflaute
17. April 2011Wer ins Pekinger Nationalmuseum will, der muss früh aufstehen. Schon morgens um halb neun bilden sich vor dem Westeingang des imposanten Gebäudes lange Schlangen. Uniformierte junge Männer mit Megaphonen sorgen dafür, dass die tausende von Menschen ordentlich anstehen, keine Getränke oder Feuerzeuge mit ins Museum nehmen, einen Sicherheits-Check wie am Flughafen durchlaufen. Nach einer Stunde ist man endlich drin.
Die meisten Besucher strömen in die große Polit-Ausstellung im Erdgeschoss: "Chinas Weg der Nationalen Wiederauferstehung". Aber wo ist die deutsche Schau zur Aufklärungskunst, die die Bundesregierung mit mehr als sechs Millionen Euro gefördert hat und die ein Glanzstück der Auswärtigen Kulturpolitik Deutschlands werden sollte? Auf der großen Übersichtstafel im Foyer ist die Ausstellung mit keinem Wort erwähnt. Hinweisschilder am Rand verweisen auf Bronze-Skulpturen im zweiten Stock, auf buddhistischen Statuen. Aber Kunst aus Deutschland? Erst wenn man mit der Rolltreppe in den ersten Stock fährt, findet man schließlich die Ausstellung. Doch an diesem Vormittag herrscht gähnende Leere. Ganz alleine steht eine junge Studentin vor Stichen von Piranesi. Immerhin, sie findet die Ausstellung gut, erzählt sie: "Man lernt etwas über die Wissenschaften, die höfischen Zeremonien, das Leben der normalen Leute. In vielen Bereichen gibt die Ausstellung eine Einführung."
"Einfach nur Gemälde"
Aber die 22-Jährige ist an diesem Vormittag die Einzige, die sich wirklich für die Thematik der Ausstellung interessiert. Die wenigen anderen Besucher sind eher zufällig gekommen, wollen vor allem das umgebaute Museum sehen, so wie diese junge Frau, die gleich erklärt, dass sie sich nicht für die Aufklärung interessiert: "Ich wollte einfach nur Gemälde sehen. Die gefallen mir. Gerade die Ölgemälde sind sehr lebendig, der Stil ist ganz anders als bei uns."
Vielleicht ist es der Eintrittpreis von 30 Yuan - mehr als drei Euro, der viele Besucher abschreckt. Den Rest des Museums kann man nämlich umsonst sehen. Oder es wird einfach nicht genug Werbung gemacht. Andere wissen mit dem Titel der Ausstellung nichts anzufangen, obwohl gerade deutsche Meisterwerke ein Publikumsmagnet sein könnten. Das findet auch ein älterer Mann, der als einziger Besucher durch den dritten und letzten Ausstellungsraum schlendert: "Ich interessiere mich nicht für die Aufklärung", sagt auch er, "erst wollte ich gar nicht kommen. Aber dann habe ich gehört, dass man Gemälde aus Dresden zeigt – da habe ich meine Meinung geändert."
Teurer Katalog
Am Eingang zur "Kunst der Aufklärung" langweilt sich eine Kartenverkäuferin. 200 Besucher kämen am Tag, sagt sie, am Wochenende ein paar mehr. Offizielle Besucherzahlen liegen nicht vor, heißt es bei den Veranstaltern. Gleich neben der Kasse wird der Katalog verkauft. Er liefert die Erläuterungen zu der Ausstellung, die in den Räumen eher spärlich ausfallen. Erst damit wird ersichtlich, warum einige Bilder indirekt aufklärerische Botschaften enthalten – zu Themen wie Öffentlichkeit etwa. Aber bei einem Preis von mehr als 100 Euro ist der Katalog für die meisten Besucher schlicht unerschwinglich.
Während die Aufklärungs-Ausstellung auf Besucher wartet, drängen sich im Stockwerk darunter, in der chinesischen Propaganda-Schau, jeden Tag rund 8000 Besucher. Gezeigt werden die glorreichen Errungenschaften des Sozialismus - in einer eher selektiven Auswahl. Die Schrecken der Kulturrevolution bleiben ebenso ausgespart wie die durch Maos verfehlte Politik verursachten Hungerkatastrophen der späten 1950er Jahre oder die Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989. Man wird den Eindruck nicht los: Mit Aufklärung hat das Museum eigentlich nichts am Hut.
Autorin: Ruth Kirchner
Redaktion: Aya Bach