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"Ich will Kanzler werden!"

Marcel Fürstenau14. April 2013

Die SPD hat auf einem Sonderparteitag in Augsburg den Bundestagswahlkampf eingeläutet. Trotz schlechter Umfragewerte gab sich Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zuversichtlich, Angela Merkel ablösen zu können.

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Peer Steinbrück bei seiner Rede auf dem SPD-Parteitag in Augsburg (Foto: Reuters)
Peer Steinbrück Rede Parteitag AugsburgBild: Reuters

Der Kandidat ging sofort in die Offensive: Er wolle Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden, erklärte Peer Steinbrück. "Nicht weil es für mich persönlich wichtig ist, sondern weil ich mit euch gemeinsam vieles in unserem Land wieder ins Lot bringen will", betonte Steinbrück auf dem SPD-Sonderparteitag in Augsburg. Deutschland werde unter Wert regiert, sagte der Herausforderer Angela Merkels, in deren Regierung er zu Zeiten der Großen Koalition von 2005 bis 2009 Bundesfinanzminister gewesen war.

Er wolle "die Fliehkräfte in unserer Gesellschaft bändigen", sagte der SPD-Kanzlerkandidat und attestierte Bundeskanzlerin Merkel "kein schöne Bilanz" in der Koalition mit der FDP. Trotz sprudelnder Steuereinnahmen seien die Schulden weiter gestiegen, sagte Steinbrück. Sieben Millionen Menschen müssten für weniger als 8,50 Euro Stundenlohn arbeiten, kritisierte der Kanzlerkandidat. Die SPD will im Falle eines Wahlsiegs einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro einführen. "Wir werden gleiches Geld für gleiche Arbeit durchsetzen", kündigte der 66-Jährige an.

DW Interview mit Peer Steinbrück

Der Herausforderer hält Merkels Politik für "Blendwerk"

Die Politik der Regierung Merkel bezeichnete Steinbrück als "Blendwerk", deshalb laute die Parole "Abwahl" der schwarz-gelben "Chaos-Truppe". Von der amtierenden Koalition unterscheide seine Partei "nicht nur das bessere Handwerk". Anders sei auch das Leitbild von der Gesellschaft, die SPD stehe für Offenheit und Toleranz.

Heftig attackierte der Kanzlerkandidat den "entfesselten Kapitalismus". Als Beispiele nannte er millionenschwere Bonus-Zahlungen an Manager und die Deregulierung der Finanzmärkte. Selbstkritisch räumte Steinbrück ein: "Auch wir Sozialdemokraten haben uns diesem Denken vielleicht nicht genügend entgegengestemmt." Aber die SPD habe ihre Lektion gelernt und müsse zu einer "Renaissance der sozialen Marktwirtschaft" beitragen.

Steueroasen und Gerechtigkeitswüsten

"Wir wollen das Primat der Politik wiederherstellen", betonte Steinbrück und fügte hinzu: "Wir stellen das Gemeinwohl vor den Profit Einzelner." Der Bundesregierung warf Steinbrück vor, seit Jahren nichts gegen Steuerbetrug zu unternehmen. Steueroasen, in denen große Vermögen vor dem heimischen Fiskus versteckt werden, nannte der SPD-Frontmann "Gerechtigkeitswüsten".

Zum Auftakt des eintägigen Sonderparteitags hatte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nachdrücklich für eine rot-grüne Koalition geworben. Bei allen Unterschieden wüssten SPD und Grüne, was sie gemeinsam wollten: "Dass es wieder fairer und gerechter in Deutschland zugeht." Die Zeit des Neoliberalismus müsse endlich zu Ende sein, forderte Gabriel. "SPD-Politik muss wieder Politik von unten sein."

Grünen-Chefin Roth als Gastrednerin

Aufmerksame Zuhörerin in der Augsburger Messehalle war Grünen-Chefin Claudia Roth, die in ihrem Grußwort ebenfalls für ein rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl im September warb. Für Angela Merkels Regierungskoalition aus Konservativen und Liberalen hatte Roth nur Spott übrig: "Diese Truppe hält doch nur noch der Machterhalt zusammen." Das Leben sei viel zu bunt, "um es nur schwarz-gelb zu sehen", sagte Roth unter Anspielung auf die Parteifarben der amtierenden Bundesregierung.

Grünen-Chefin Claudia Roth beim SPD-Parteitag in Augsburg (Foto: Reuters)
Ausnahmsweise mal bei den Roten: Grünen-Chefin Claudia RothBild: Reuters

Die Chancen, Kanzlerin Merkel nach der Bundestagswahl abzulösen, stehen für SPD und Grüne auf der Basis aktueller Umfragen allerdings schlecht. Die Meinungsforscher ermittelten zuletzt für die Sozialdemokraten Werte zwischen 23 und 27 Prozent. Angela Merkels CDU kommt auf bis zu 42 Prozent. Steinbrücks Wunschkoalition mit den Grünen hätte im Moment keine eigene Mehrheit. Rein rechnerisch wäre eine Neuauflage der Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten möglich. Dafür stehe er aber nicht zur Verfügung, hatte Steinbrück schon vor Monaten angekündigt.

Erfolge bei Landtagswahlen

Wie schwer es für die SPD werden dürfte, den Trend bis zur Bundestagswahl am 22. September zu ihren Gunsten umzukehren, zeigt das aktuelle "Politibarometer" des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF). Demnach trauen die Deutschen Bundeskanzlerin Merkel beim Thema soziale Gerechtigkeit mehr zu als ihrem Herausforderer Steinbrück. Dieses Detail illustriert das Dilemma der Sozialdemokraten besonders deutlich. Denn nach ihrem Selbstverständnis ist die vor 150 Jahren aus der Arbeiterbewegung entstandene SPD der Inbegriff für soziale Gerechtigkeit. Mit dem Kanzlerkandidaten Steinbrück ist daraus offensichtlich ein Glaubwürdigkeitsproblem geworden.

Trotz allem sehen sich die Partei und ihr Kanzlerkandidat fünf Monate vor der Bundestagswahl auf dem richtigen Weg. Steinbrück erinnerte die Delegierten des Sonderparteitags daran, dass die SPD in jüngster Zeit vier CDU-Ministerpräsidenten abgelöst habe. Daraus schöpft Peer Steinbrück die Zuversicht, am 22.September Bundeskanzlerin Angela Merkel ablösen zu können.