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"Druck auf Netanjahu wächst"

Anne Allmeling9. Juli 2014

Israels Armee bereitet sich auf eine Bodenoffensive im Gazastreifen vor. In dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern könnten nur die Ägypter vermitteln, meint Israels ehemaliger Botschafter Shimon Stein.

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Shimon Stein, Israels ehemaliger Botschafter in Deutschland
Bild: picture-alliance/AP Photo

Deutsche Welle: Zwischen Israel und den Palästinensern eskaliert die Gewalt. Die israelische Armee hat Luftangriffe im Gazastreifen geflogen. Auch eine Bodenoffensive ist im Gespräch. Welche Strategie steckt dahinter?

Shimon Stein: Eins ist klar: Man wird die immer größere Anzahl von Geschossen aus dem Gazastreifen nicht tolerieren. Meinungsumfragen zufolge ist eine überwältigende Mehrheit der Israelis der Auffassung, dass die israelische Regierung etwas unternehmen muss. Aber heißt das, dass Israel eine Bodenoffensive startet? Oder reichen die Luftangriffe, die ja zum Ziel haben, die Infrastruktur der Hamas und die Produktionsstätten der Hamas zu zerstören? Wenn man mit einer begrenzten Bodenoperation beginnt, könnte sie erweitert werden. Und schon befinden wir uns in einer Situation, in der wir schon vor zwei Jahren waren - und auch schon davor.

Sie spielen auf die israelische Offensive im Gazastreifen im November 2012 und auf die Bodenoffensive Anfang 2009 an. Die hat nicht so funktioniert, wie sich die Israelis das vorgestellt haben. Warum kommt jetzt wieder eine Bodenoffensive ins Gespräch?

Was ist denn die Alternative? Die Hamas bietet sich ja momentan nicht als Partner für einen Dialog an. Sie geht nicht auf die Bedingungen der Europäischen Union und der Amerikaner ein. Danach muss die Hamas auf Terror verzichten, Israel anerkennen, und die Verträge zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde akzeptieren. Diese drei minimalen Bedingungen, die die Staatengemeinschaft gestellt hat, erfüllt die Hamas nicht.

Ich habe mich gewundert, dass die Hamas die Lage hat eskalieren lassen. Ich glaube, dass das ursprünglich nicht im Interesse der Hamas war. Die Gruppe "Islamischer Dschihad in Palästina" hat die Hamas in diese Lage gebracht, denn die Hamas kann die Gruppe nicht kontrollieren. Und Israel hat keine andere Wahl. Die israelische Bevölkerung setzt Ministerpräsident Netanjahu unter Druck, auch seine eigene Koalition setzt ihn unter Druck, und ich muss sagen: Bis heute hat sich Ministerpräsident Netanjahu sehr zurückhaltend verhalten. Er hätte auch anders reagieren können, mit viel härterer Gewalt. Aber für seine Verhältnisse - oder zumindest für das, was seine Koalitionspartner von ihm fordern - hat er sich zurückgehalten. Ich bin mir nicht sicher, dass das so weitergeht. Denn der Druck auf ihn nimmt zu, je mehr Kassam-Geschosse die Region um Tel Aviv erreichen.

Sie sagen, Netanjahu hätte ganz anders reagieren können. Was würde denn ein Einmarsch in Gaza bedeuten?

Außenpolitisch gibt es bis heute eigentlich Verständnis für das Recht Israels, sich selbst zu verteidigen. Sollte Israel sich entscheiden, eine Bodenoperation zu unternehmen, bezweifle ich, dass die internationale Staatengemeinschaft weiter stillschweigendes Verständnis für die israelische Aktion haben wird. Je länger die Operation andauert, desto mehr Opfer wird es auf palästinensischer Seite geben, und umso größer wird die Kritik werden. Schon heute verlangen die Europäische Union und die Amerikaner mehr Zurückhaltung und einen Waffenstillstand. Aber eine Bodenoperation würde eine unmittelbare Konfrontation mit der palästinensischen Bevölkerung bedeuten. Und dabei werden auch unschuldige Zivilisten zum Opfer fallen. Israel wird als Teil eines größeren Zieles die strategische Infrastruktur zerstören, und man wird auch gegen die politische und militärische Führung vorgehen. Das sind Dinge, die bereits in der Vergangenheit unternommen wurden mit dem Ziel der Abschreckung. Doch das klappte nach zwei Jahren offensichtlich nicht mehr.

Wie lange es noch dauern wird, bis die beiden Seiten die Bereitschaft zum Einlenken zeigen, ist noch nicht abzusehen. Ägypten hat sich bereits eingeschaltet. Ich finde das sehr positiv, denn die scheinen mir momentan die einzigen, die in der Lage sind, zumindest stillschweigend und informell die Gespräche mit beiden Parteien aufzunehmen.

Warum?

Ich sehe im Moment kein anderes arabisches Land, das sich dafür anbietet. Die Amerikaner eignen sich nicht, zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln. Die Europäische Union spielt sowieso keine Rolle. Aber Ägypten kann diese Rolle wie in der Vergangenheit erfüllen: Israel hat Vertrauen in Ägypten, und die Hamas ist auf Ägypten angewiesen. Deshalb könnte sich Ägypten für eine Vermittlungsfunktion eignen.

Das Interview führte Anne Allmeling.

Shimon Stein ist ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland.