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Stefan Heym ist tot

18. Dezember 2001

Unberechenbar und unbequem. Der Schriftsteller Stefan Heym ist am Sonntag im Alter von 88 Jahren in Israel gestorben.

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Der Schriftsteller Stefan Heym ist am Sonntag im Alter von 88 Jahren in Israel gestorben. Heym sei einem Herzversagen in einer Hotelanlage am Toten Meer erlegen, bestätigte das das Mishkenot-Shaananim Kulturzentrum in Jerusalem. Heym hatte am Donnerstag auf einer von dem Kulturzentrum organisierten Heinrich-Heine-Konferenz in Jerusalem gesprochen.

In seinem literarischen Schaffen, aber auch in der medialen Öffentlichkeit hat Heym politisch immer wieder Position bezogen. Obwohl er sich als Sozialist verstand, gehörte der ostdeutsche Autor zu DDR-Zeiten zu den entschiedensten Kritiker des SED-Staates.

Kritischer Sozialist

Heym war der wohl bedeutendste "oppositionelle Autor" in der früheren DDR. Obwohl er sich zu einem "sozialistischen Deutschland" bekannte, wurde er zu einer Symbol- und Leitfigur für den geistigen Widerstand in dem zunehmend totalitärer werdenden SED-Staat. 1998 ist sein letzter Roman "Pargfrider" erschienen. Es folgte noch der Geschichtenband "Immer sind die Weiber weg". Zu seinen bekanntesten Büchern gehören "Collin" (1979) und "Fünf Tage im Juni" (1974).

Alterspräsident des Bundestages

Nach dem Zusammenbruch der DDR im Herbst 1989 hatte Heym zu einem neuen Widerstand aufgerufen, diesmal unter dem Motto "Für unser Land" gegen den, wie er meinte, "Ausverkauf an die Bundesrepublik". Er griff auch aktiv in die Politik ein und errang bei der Bundestagswahl 1994 für die PDS ein Direktmandat im Bundestag, dessen Legislaturperiode er als Alterspräsident eröffnete. Ein Jahr später gab der damals 82-Jährige sein Mandat allerdings wieder zurück.

Auch einer seiner letzten öffentlichen Auftritte war von der aktuellen politischen Situation geprägt. Mit Bestürzung reagierte Heym im Frühjahr 1999 bei einer Lesung in Hannover auf den Beginn der Nato-Angriffe auf Serbien.

Flucht vor den Nazis in die USA

Der am 10. April 1913 in Chemnitz geborene Kaufmannssohn, der eigentlich Helmut Flieg hieß, wechselte in der Schulzeit nach Berlin und floh 1933 vor den Nazis zunächst in die Tschechoslowakei und später in die USA, von wo er als amerikanischer Soldat nach Deutschland zurückkehrte. 1951 siedelte er nach Ost-Berlin über.

Ausschluss aus DDR-Schriftstellerverband

Heym beschäftigte sich mit zeitgeschichtlichen und historischen Stoffen. Zu seinen Büchern gehören "Der König David Bericht", der Probleme des Stalinismus parabelhaft spiegelt und in der DDR zunächst nicht erscheinen durfte. "Fünf Tage im Juni" berichtet vom Volksaufstand am 17. Juni 1953, das Buch «Collin» ist ein Funktionärsgleichnis. Nach dem Ende der DDR hielt Heym in dem dokumentarischen Roman "Radek" (1995) über den Mitarbeiter Lenins und Trotzkis eine Rückschau auf "Geburtsfehler einer Revolution".

1979 wurde Heym aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen und sogar strafrechtlich wegen angeblicher Devisenvergehen verurteilt, was erst 1992 offiziell vom Gericht zurückgenommen wurde. 1988 erschien sein autobiografischer "Nachruf".

Archiv in Cambridge

Vergangenen Januar las Heym in der Berliner Akademie der Künste, deren Mitglied er war, aus seinem Mitte der 60er Jahre entstandenen, bisher unveröffentlichten Roman «Die Architekten» und wurde dabei stürmisch gefeiert. Der Präsident der Berliner Akademie, der ungarische Schriftsteller György Konrad, würdigte Heym bei der Lesung als den "Berliner Schriftsteller-Doyen", der "in Unbilden eines langen Lebens sich treu geblieben ist". Sein literarisches Archiv hat Heym der britischen Universität Cambridge übergegeben.