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Burger aus Stammzellen

Michael Lange5. August 2013

Mit großem Tamtam präsentierten Forscher den ersten Burger aus dem Labor. Gezüchtet aus Muskelzellen eines Rinds. Es soll die weltweit steigende Fleischnachfrage decken. PR-Coup oder ernstzunehmende Vision?

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Burger aus Stammzellen (Foto: culturedbeef.net)
Bild: David Parry/PA Wire

Äußerlich unterscheidet sich das Hackfleisch aus dem Labor nicht von der Massenware der üblichen Fastfoodketten. Und nach Ansicht der ersten Testesser schmeckt es fast wie echtes Fleisch. Die Art und Weise, wie dieser weltweit erste Hamburger aus Stammzellen entstanden ist, macht ihn jedoch zum Luxusartikel. Er soll etwa 300.000 Euro gekostet haben. Wenn es nach dem Biomediziner und quasi Fleischzüchter Mark Post aus den Niederlanden geht, soll das Retortenfleisch aber in spätestens zwei Jahrzehnten in die Supermärkte kommen und die wachsende Menschheit ernähren.

Hauchdünne Fleischschichten

Jahrelang haben Mark Post und seine Mitarbeiter in ihrem Labor an der Universität Maastricht getüftelt. Aus einzelnen Muskelzellen eines Rindes haben sie in einer rosa Flüssigkeit feine Streifen Muskelgewebe herangezüchtet. Bei guter Pflege teilten sich die Stammzellen aus dem Rindermuskel immer wieder. So entstanden hauchdünne Schichten, nur ein paar Zentimeter lang und wenige tausendstel Millimeter dick. Um einen gewöhnlichen, 140 Gramm schweren Hamburger zu erzeugen, brauchten die Forscher sage und schreibe 20.000 dieser hauchdünnen Streifen. Hinzu fügten sie für die richtige Farbe etwas Rote-Beete-Saft und Safran.

Wunderbare Fleischvermehrung

In Zukunft lassen sich aus den Stammzellen eines einzigen Rindes 175 Millionen Hamburger erzeugen, verspricht der Biomediziner Mark Post. Diese sagenhafte Fleischvermehrung aus wenigen Zellen erinnert an ein Wunder aus der Bibel, als Jesus mit zwei Fischen und fünf Laib Brot die Massen ernährte. Anders als bei einem Wunder braucht Post jedoch teure Labors, geschulte Mitarbeiter und viel Energie, um eine Hand voll Rinderzellen im Labor wachsen zu lassen.

Groß sind lediglich die Versprechungen. Angeblich lasse sich durch Laborfleisch der Landverbrauch um 98 Prozent und die Entstehung von Treibhausgasen um 80 bis 95 Prozent senken. So haben es Forscher der Universität Oxford berechnet. Und ganz nebenbei könnte das Leben von Millionen Rindern gerettet werden.

Laborfleisch statt Massentierhaltung

Nur leider hat die Sache gleich mehrere Haken. Stammzellen brauchen konstante Bedingungen und Wachstumstemperaturen - um die 37 Grad Celsius. Sie müssen geschützt vor Bakterien und Pilzen gedeihen und ständig von der Außenwelt abgeschirmt werden. Das alles ist bei kleinen Mengen im Labormaßstab möglich, aber völlig ungeeignet für die Massenproduktion. Selbst in spezialisierten Labors gibt es immer wieder Schwierigkeiten beim Züchten von Zellen. Ein anderes Problem ist das Konstruieren dreidimensionaler Strukturen aus Stammzellen. Bei der Herstellung von Organen aus Stammzellen gab und gibt es immer wieder Rückschläge.

Kein Rindfleisch in 3D

Dreidimensionales Gewebe mit Nährstoffen zu versorgen und wachsen zu lassen, ist in der Natur üblich. Dazu besitzen Tiere und Menschen Blutgefäße. Das gleiche in einer Zellkultur im Labor hinzubekommen, ist eine gewaltige Herausforderung für die Forschung. So etwas wird auch in Jahrzehnten noch viele tausend Dollar kosten. Und ein Steak oder ein Schnitzel zu erzeugen, ist weitaus komplizierter als ein wenig Hackfleisch. So viel Geld für lebensrettende Organe auszugeben, ist finanziell und ethisch vertretbar, nicht hingegen für die Fleischproduktion.

Erster Burger aus der Retorte

Rindfleisch ohne Rinder

Mark Post will den Stammzellen-Hamburger in zehn bis zwanzig Jahren in die Supermärkte bringen - zum Preis von einem Dollar oder weniger. Realistisch scheint das bei all den Hürden, die zu nehmen sind, nicht. Denn viele Millionen Forschungsgelder sind nötig, um die Visionen der Forscher wahr werden zu lassen. Die Wissenschaft hat wichtigere Ziele. Den Fleischessern der Welt wird in den nächsten Jahrzehnten nichts anderes übrig bleiben, als sich mit weniger Hamburgern und Steaks zu begnügen. Das ist nicht nur preiswerter, sondern auch gesünder.